Zurück

Reviews

Radka Toneff: Fairytales

Stil: Vocal Jazz

Cover: Radka Toneff: Fairytales

Der Stoff, aus dem Legenden gewoben werden: Die norwegische Jazz-Sängerin Radka Toneff bekam Musik praktisch in die Wiege gelegt und machte bis zu ihrem frühen wie rätselhaften Tod mit 30 Jahren nichts anderes als das. Die gebürtige Osloerin überschritt zwanglos Grenzen von Rock und R'n'B zum Jazz, während sie ihr "Handwerk" professionell lernte.

Bereits während ihres Studiums verdingte sich Toneff mit den Brüdern Erik und Jon Balke in der Fusion-Combo Unis und sang längere Zeit in ihrem eigenen Quintett. Selbiges erhielt 1977 für das Album "Winter Poem" den norwegischen Musikpreis Spellemannprisen. Im Zuge des zwei Jahre später erschienenen Nachfolgers "It Don"t Come Easy" versuchte sich die Sängerin ohne Anhang in einer intimen Duo-Konstellation: gemeinsam mit dem US-amerikanischen Pianisten Steve Dobrogosz.

"Fairytales" wurde von Bass-Legende Arild Andersen produziert und unterwanderte den Mainstream, begeisterte also nicht nur Szene-Kenner weltweit. Das lag an dem eingängigen Repertoire, das die beiden Protagonisten boten, neben drei eigenen Stücken ausschließlich mehr oder weniger häufig neu interpretierte Fremdkompositionen.

Mit 'The Moon Is A Harsh Mistress' von Jimmy Webb, das Dobrogosz allenthalben minimalistisch in hohen Registern begleitet, gibt das Duo die weitere Richtung vor. "Fairytales" hinterlässt in der Tat einen märchenhaften, irgendwie außerweltlichen Gesamteindruck, wirkt zerbrechlich und doch kraftvoll in sich ruhend, was vor allem auf die Sängerin selbst zutrifft. Im romantischen Doppel aus 'Mystery Man' und 'Nature Boy' (Nat King Cole) herrschen die gleichen atmosphärischen Grundvoraussetzungen vor, doch das Album lebt auch und vor allem von dem, was zwischen den gespielten Tönen geschieht - vom Atmen, von der Stille, vom Ausklingen im akustisch sensiblen Raum.

Genauso aufrüttelnd wie das belebende 'Come Down In Time' (Elton John) mit oft getretenem Haltepedal mutet die Performance des Pianisten im unverwüstlichen 'My Funny Valentine' an. Ein gleichsam dynamisches Highlight markiert 'Before We Went Out Of Style' kurz vor Schluss, wohingegen das erzählerische 'Lost In The Stars' (Kurt Weill und Maxwell Anderson) an rauchige Untergrund-Clubs von New York denken lassen. Von nordischer Kühle ist auf "Fairytales" keine Spur zu vernehmen.

Angesichts des letzten Titels - 'I Read My Sentence' - läuft es einem eiskalt den Rücken hinunter, wenn man hört, wie unbekümmert Toneff den sakralen Text zu singen scheint, der von unausweichlicher Vergänglichkeit kündet …

FAZIT: Radka Toneff war eine gänzlich von Diven-Dünkeln befreite Vorreiterin des massenkompatiblen Vocal Jazz, der später dann tatsächlich vor allem aus Skandinavien in den Rest der Welt schwappte und oft kitschig glatte Ausmaße annahm. Selten wurde er so intensiv wie auf "Fairytales" dargeboten - einem Album, das sich völlig zu Recht einen Klassiker nennen darf und dessen Wiederveröffentlichung (übrigens auch auf Vinyl) unbedingt Sinn ergibt. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/fe725962b97a4817903ff8a73a9149a3" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.04.2018

Tracklist

  1. The Moon Is A Harsh Mistress
  2. Come Down In Time
  3. Lost In The Stars
  4. Mystery Man
  5. My Funny Valentine
  6. Nature Boy
  7. Long Daddy Green
  8. Wasted
  9. Before We Went Out Of Style
  10. I Read My Sentence

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Odin / Broken Silence

  • Spieldauer

    41:52

  • Erscheinungsdatum

    06.04.2018

© Musikreviews.de