Das Anliegen, zeitlose Rockmusik zu schaffen, schreiben sich viele zeitgenössische Genre-Acts auf die Fahnen, und ob ernsthaft oder nur im Sinne eines floskelhaften Lippenbekenntnisses: Die Werke weniger bleiben der Nachwelt als etwas Wertvolles, an dem das eigene Herz hängt, im Gedächtnis. Den Gründen dafür nachzuspüren ist müßig und würde im Rahmen einer Besprechung des zweiten Albums von RED SUN RISING zu weit führen.
Fest steht in diesem Zusammenhang aber, dass die Ambitionen die Gruppe dazu verleitet haben, zu viele Geschmäcker bedienen zu wollen, und das schadete ihrem Einstand "Polyester Zeal" (2016), gleichwohl dieser klanglich von Starproduzent Bob Marlette in Szene gesetzt wurde. Auf diesem Nachfolger nun zeigt sich das Quintett aufgeräumter, auch wenn ihm noch der eine oder andere Fauxpas von der Hand geht.
RED SUN RISING stammen aus der Industriestadt Akron im Bundesstaat Ohio, der Heimat der Black Keys und von Devo, beides gleichwohl keine Referenzen in Bezug auf den eigenen Sound der Gruppe, und nennen sich Alternative oder "Modern Rock", wie es so schön schwammig heißt. Ihre Einflüsse verschleiern sie mittlerweile ziemlich gut, vor allem durch Fixierung des Klangbilds auf die Stimme von Gitarrist Mike Protich; der Mann hat nicht nur ein markantes Timbre, sondern abgesehen von den beiden Beliebigkeiten (auch musikalisch) 'El Lazo' und 'Benny Two Dogs' hörenswerte Texte parat.
Meistens schwelgt oder schmachtet er, ohne sich des Schwulstes schuldig zu machen, etwa in der klassischen Power-Ballade 'Rose', aber auch im zackigen Drama 'Deathwish', und härtete Tracks wie diese stehen RED SUN RISING auch am besten. Der halbakustische Sonnenschein 'Left For Dead' sowie 'Stealing Life' mit E-Piano und feinfühlig gezupften Gitarren während der Strophen bieten Foo-Fighters-verdächtigen Gesangsharmonien, die schließlich auch 'Lonely Girl' zu einem der zwingenden Tracks auf "Thread" machen.
Ganz oben steht unterdessen das eigentlich kuriose 'Evil Like You' mit seinen düsteren Riffs und gegensätzlichen Klaviertupfern, dicht gefolgt von dem wuchtigen Doppel aus 'Veins' und 'Clarity' mit ihren hämmernden Beats. RED SUN RISING sind Live-Arbeitstiere, aber nie so klanggewaltig wie beispielsweise die am ehesten vergleichbaren Soundgarden zu ihren Hochzeiten. Die Produktion fiel letztendlich einen Tick zu glatt aus, doch das ist neben den beiden Stinkern in der Songliste das einzige Manko.
FAZIT: "Thread" ist tatsächlich ein zeitgemäßes Rockalbum, das traditionellen Strukturen folgt, weshalb seine Schöpfer den Anspruch erheben dürfen, damit längerfristig an sich zu binden. RED SUN RISING biedern sich der Radio-hörigen Masse (vor allem in ihrer Heimat) erfreulicherweise nicht offensichtlich an, sondern ziehen ein recht eigenes Ding zwischen hartem Saubermann-"Grunge" und einem Schuss Power Pop durch. Darf man sich also gefallenlassen. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/3f583c053c4041c68164086d22c633be" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.03.2018
Spinefarm / Universal
54:24
02.03.2018