Versuchen wir es mal so: Alle, die erwarten, dass „Quiet River Of Dust Vol. 1“ von RICHARD REED PARRY, besser bekannt als maßgebliches Mitglied von ARCADE FIRE, nach seiner Haupt-Band klingt, die werden enttäuscht sein.
Alle aber, die auf extrem spannende, abwechslungsreiche, psychedelische und zugleich schwer einzuordnende, aber irgendwie an eine Kombination aus SUFJAN STEVENS und SYD BARRETT klingende Musik stehen, werden bei diesem Album des kanadischen Singer/Songwriters und Multiinstrumentalisten echt aus dem Häuschen sein. Denn Parry erzählt nicht nur sehr abgefahrene Geschichten auf seinem Album, sondern vertont sie im hypnotischen Spätsechziger-Style, der sich immer wieder in den verrücktesten Sound-Experimenten und jeder Menge Naturgeräuschen entfaltet, sodass das gesamte Album wie ein spannender Soundtrack zu einem Hitchcock-Film anmutet.
Weltmusikalisches, aber auch Elektronisches und Krautrockiges sowie verhallt Space-iges wie aus dem skandinavischen Orb gibt es dabei genauso zu hören wie Akustisches und Klassisches, in dem neben dem kompletten Rockinstrumentarium auch Celli, Flöten, Geigen, Dudelsäcke, Klarinetten, Hörner und weiß der Teufel was noch alles auftaucht, um eine mal schwebende, dann wieder bedrohliche Atmosphäre zu entfalten – schwebend wie die bunt bebilderten Seifenblasen in dem zu einem Poster entfaltbaren Booklet, die mal davonschweben, dann wieder überraschend platzen. Nie weiß man so recht, woran man mit diesem Parry ist, der hier wohl all die verrückten Ideen in Eigenunion ausspielt, die er sich im Band-Interesse bei ARCADE FIRE verkneifen muss.
Schon der Album-Titel „Ein ruhiger Fluss aus Staub“ verweist auf das Mystische hinter Parrys Musik – und wenn man noch dazu einen Blick auf seine Homepage wirft, dann wird klar, wie viel Naturverbundenes, allerdings nicht übertrieben Esoterisches, jedoch „Natur“-Geisterhaftes einen auf dem Album erwartet: „Ein Mann, der in ein fremdes Land reist, wandert durch einen Geister-Wald, der über seine Vergangenheit singt. Ein Unwetter beginnt, das niemals endet. Ein Junge löst sich in Wasser auf! Diese Bilder haben die Musik auf dem Album inspiriert, das aus zwei Blickwinkeln erzählt wird: der eine verkörperte die gesammelten Erfahrungen aus der realen Welt, der andere spiegelt etwas Körperloses, Aufgelöstes und Ozeanisches wider. Japanische Volksmythen, Todesgedichte und britischer Folk beeinflussen die Avantgarde-Kompositionen und Traditionen des späten 20. Jahrhunderts, die in die gesamte Musik übergehen und ineinanderfließen.“
Schon das hypnotische Natur-Lied <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=2&v=G7ahPZi6Zt4" rel="nofollow">„I Was In The World, Was The World In Me“</a>, bei dem Parry an der akustischen Gitarre und mit fast ekstatischem Gesang zu Vogelgezwitscher seinen Song auslebt, sucht in unserer – ach so modernen – Musik ihresgleichen, während das elektronisch verspielte, an frühe ASHRA und TANGERINE DREAM erinnernde <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=-qG79FXPUz8" rel="nofollow">„Sai No Kawara (River Of Death)“ ... (Unbedingt auch das Video dazu anschauen, es ist absolut faszinierend!)</a> garantiert jedem frühelektronischen Krautrock-Fan sowie allen SIGUR RÓS-Anhängern Tränen des Glücks in die Augen treiben wird. Und während man kräftig beim Heulen ist, setzt dann der <a href="https://www.youtube.com/watch?v=PgJnf5gc86c" rel="nofollow">„Song Of Wood“</a> noch einen drauf, weil er nach den morbiden Ideen eines THOM YORKE oder eben SYD BARRETT klingt, welche die beiden bei RADIOHEAD oder den frühen Psyche-PINK FLOYD nicht unterbekommen konnten.
FAZIT: Im Grunde kommt man nach dem Hören von „Quiet River Of Dust Vol. 1“ kaum umhin, zu behaupten, dieses Solowerk von RICHARD REED PARRY, einem der federführenden Köpfe hinter ARCADE FIRE, ist besser als die letzten Alben seiner Stamm-Band. Aber das wäre ungerecht, denn es klingt grundlegend anders – aber trotzdem besser!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.10.2018
Anti-Records/Indigo
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21.09.2018