SAXON wuchsen bekanntlich rasch über die sogenannten New Wave Of British Heavy Metal hinweg in den Mainstream hinein, auch weil sie bewusst nach Erfolgen in den Vereinigten Staaten schielten, und ihr im Sommer 1985 veröffentlichtes siebtes Album subsumiert diese Stoßrichtung auf ungeahnt hohem Niveau, ob man sie mag oder nicht.
"Innocence Is No Excuse" hätte kein besseres Debüt beim Branchenriesen EMI sein könnten. Ausnahmsweise - bei Produktionen in diesem Bereich aus den 80ern nicht selbstverständlich - kann man sich den Drum- und spezielle Snare-Sound auch heute noch schadlos gefallenlassen. Simon Hanhart betreute die Einspielung in den Münchner Union Studios (Howard Carpendale, Boney M.!), ehe das Material in den Wisseloord Studios (alles Mögliche von Judas Priest bis Jule Neigel) im niederländischen Hilversum abgemischt wurde. Die Neuauflage enthält außerdem fünf provisorische Mitschnitte aus dem Chapel Studio im englischen Thoresby (sowohl Shirley Bassey als auch Carcass), wobei es sich um Demoversionen einiger Albumtracks handelt, sowie 'Live Fast, Die Young' (B-Seite von "Back On The Streets") und 'Krakatoa' (B-Seite von "Rock N’Roll Gipsy"), beides für "Ausschuss" erstaunlich solide Stücke, die SAXON-Komplettisten brauchen.
Bei der Vinyl-Version muss man wie bei den bisherigen Re-Releases von BMG auf Bonustracks und zusätzliche Kommentartexte im nicht vorhandenen Booklet verzichten, dafür sind die Scheiben wieder hübsch bunt. Nach dem perfekten Einstieg 'Rockin' Again' weist die Platte einzig mit dem zu glatten 'Call Of The Wild' einen merklichen Schönheitsfehler auf. SAXON punkten durchweg mit effektiv simplen Riffs und denkwürdigen Refrains, die selbst die unmusikalischsten Gemüter mitsingen können, wobei sich die zu erwartenden textlichen Platitüden des stimmlich gut aufgelegten Frontmanns dankenswerterweise in Grenzen halten.
'Broken Heroes', 'Devil Rides Out' und 'Raise Some Hell' ergeben ein über alle Zweifel erhabenes Trio, anhand dessen man "Innocence Is No Excuse" anlässlich dieser Wiederveröffentlichung eventuell neu bewertet, falls man es bislang abfällig als Kommerz-Kacke von sich gewiesen hat. Im Anschluss an die Aufnahmen sollten SAXON Abschied von Bassist Steve Dawson nehmen, doch unabhängig davon wusste die Gruppe zu jener Zeit genau, was sie tat; ihre Musik war definitiv kein Eingeständnis an etwaige Stimmen, die ihr in ihren Stil hineinzureden suchte.
FAZIT: Am Scheitelpunkt der 1980er stehen SAXON zugleich am Zenit ihrer für viele alte Fans zu offensichtlich erzwungenen Massentauglichkeit, doch kompositorisch, spielerisch und klanglich ist "Innocence Is No Excuse" vermutlich das stärkste Album der Briten aus jener Phase. Die 2018er Neuauflage stellt weniger wegen des Remasterings als aufgrund der lesenswerten Liner Notes und zusätzlichen Songs im schicken Mediabook wohl die ultimative Version dar. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/b8a75dd7db0a4de79aa00e7a60aed0f2" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.07.2018
BMG
71:34
27.07.2018