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Tamara Banez: Ecken und Kanten

Stil: Singer-Songwriter

Cover: Tamara Banez: Ecken und Kanten

Wäre der Begriff "Gutmensch" mittlerweile nicht unschön ideologisch belastet, könnte man Tamara Banez damit bezeichnen, denn während die vom Klavier getragene Musik der jungen Künstlerin in ihrer professionellen Konventionalität weitgehend kaltlässt, geht das klugscheißerische Fingerzeigen, mit dem sie in ihren Texten auffällt, beim Hören dieses Debütalbums schnell auf den Zeiger.

Dabei fängt alles noch recht gelinde mit der Freundschaftshymne 'Sistas' an, die Banez gemeinsam mit Allessa Olvedy und Anke Tillmann intoniert. Ja, es klingt bieder, aber glaubwürdig, zumal die melodische Substanz stimmt und die musikalischen Ideen fantasievoll umgesetzt wurden. Letzteres setzt sich im weiteren Verlauf fort, doch inhaltlich tun sich Abgründe auf. Die Protagonistin sieht sich dummerweise im Geiste amerikanischer Liedermacher(-innen - Baez, Dylan) bzw. der Protestbewegung, die ab Mitte der 1960er tatsächlich Veränderungen in den Vereinigten Staaten sowie schließlich der ganzen Welt bewirkte, scheitert aber an ihrer eigenen Beschränktheit.

Davon abgesehen, dass der einzige englischsprachige Song der Platte 'Ain't easy' in jeder Hinsicht der unauffälligste bleibt, gibt sich Banez meistens kontemplativ und schaut in ihr eigenes Inneres oder auf ihren unmittelbaren persönlichen Umkreis. Weiter reicht ihr Horizont nicht, und wenn sie darüber hinausblickt, wird's floskelhaft oder regelrecht albern. Im Übrigen hat "Ecken und Kanten" anders, als es der Titel in Aussicht stellen könnte, nur am Rande etwas mit Rockmusik zu schaffen, am ehesten während 'Eine Nacht' und 'Du spielst - Du verlierst', einem Duett mit Ni Sala.

Austauschbarere 'Sinn'-Suche und schlimmere Betroffenheitslyrik als in 'Düsterer Tag' hat man in letzter Zeit selten gehört, weil sich heutzutage kaum mehr jemand zu solcher Naivität bekennt, wie sie sich hier offenbart. Dass die Chose bei Konzerten zumindest gut funktioniert und ankommt, beweist der abschließende Mitschnitt 'Wir bleiben hier'. Bis dahin muss man allerdings noch Pseudo-Blues, fadenscheinige Gesellschaftskritik ('Yukari'), ein paar elektronische Versatzstücke und - ganz schrecklich - eine Romantisierung der ländlichen Provinz ('Ärmel hoch') durchleiden.

FAZIT: "Ecken und Kanten" ist leider in erster Linie fast unerträglicher Schwulst, den man auch vom Betreiber von Tamara Banez' Label kennt: Konstantin Wecker. Der Altmeister war und ist auf seine Weise genauso streitbar, wie sein junger Schützling geradezu penetrant den gegenwärtigen Konsens der deutschsprachigen Popmusik bedient, auch wenn die Öffentlichkeitsarbeit der Plattenfirma partout das Gegenteil behauptet. Zum Abgewöhnen, wirklich. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/3104c26e177c4449b6997440adb70c71" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 3/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.08.2018

Tracklist

  1. Sistas
  2. Yukari
  3. Eine Nacht
  4. Du spielst - Du verlierst
  5. Spitze Scherben
  6. Sinn
  7. Düsterer Tag
  8. Schlaflied
  9. Ain't easy
  10. Ärmel hoch
  11. Wir bleiben hier (Live)

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Sturm und Klang

  • Spieldauer

    42:00

  • Erscheinungsdatum

    24.08.2018

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