Gleich dieses Hendrix-Tremolo-Wimmern zu Beginn des ersten Stücks 'Faith', und du befindest dich auf der falschen Fährte. Wer THE AARON CLIFT EXPERIMENT noch nicht kennt (was keine Schande ist), darf sich auf eine gediegene Runde Art Rock der konservativen Sorte einstellen, dessen Vorbilder definitiv nicht nach der Jahrtausendwende auf den Plan getreten sind … anders als die Urheber selbst.
Wo der 2015er Vorgänger noch stärker in Richtung Melodic-Rock für eine verhältnismäßig breite Hörermasse ging, fokussieren THE AARON CLIFT EXPERIMENT auf dem Nachfolger jenes Albums das Sujet Prog … und fahren recht gut damit, auch wenn man als anspruchsvoller Genre-Fan mehrere Abstriche machen muss, um "If All Goes Wrong" richtig liebzugewinnen. Die Achillesferse ist und bleibt Chef Aaron Clift selbst, der anscheinend ein Ego-Problem, bloß leider keine charismatische, geschweige denn überhaupt kraftvolle Stimme hat.
Andererseits könnte man sich manches auf der Platte mit Neal Morses Stimme auch als frühes Spock's-Beard-Demo denken, und das ist ausdrücklich als Lob für THE AARON CLIFT EXPERIMENT zu verstehen. Die Herren legen generell Wert auf frische Akkordfolgen und Harmonien, auch wenn sie sich nicht von sicherlich lieb gemeinter Abkupferei freimachen könnten. Zeugnis davon legt allen Tracks voran die kurze "Fanfare" 'Wild Hunters' ab, die irgendwie nach etwas zackigeren Boston klingt, ohne deren produktionstechnischer Opulenz gerecht zu werden - natürlich.
Das Kerntrio hat seine neusten Stücke mit einer Fülle von Gastmusikern und -musikerinnen realisiert, weshalb das Material vermutlich auch überfrachtet wirkt, jedenfalls in Teilen. Mit weitem Abstand das Highlight: die kleine Klangreise 'Absent Lovers' mit Streichern über acht Minuten hinweg - ausnahmsweise im Gegensatz zu anderen Abschnitten kein ziellose Herumdümpeln.
FAZIT: Mit nunmehr drei Alben auf dem Buckel dürfen sich THE AARON CLIFT EXPERIMENT zwar nicht direkt mit einem souveränen Hattrick brüsten, geben sich aber selbst eine Steilvorlage für Platte Nummer vier. Die Voraussetzungen sind gegeben, einzig die Schwächen (Vocals, zu selbstverliebt ausufernde Songstrukturen) muss die Band ausbügeln, um in der übervollen Traditions-Prog-Szene oben mitzumischen.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.07.2018
Eigenvertrieb
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06.07.2018