Gerade erst hatten wir recht begeistert das überraschende neue Album <a href="http://musikreviews.de/reviews/2017/The-Brandos/Los-Brandos/" rel="nofollow">„Los Brandos“</a> von THE BRANDOS, die über zehn Jahre von der musikalischen Bildfläche verschwunden waren und deren (alten) Alben längst vergriffen sind, besprochen, da gibt‘s genau diese „alten“ Alben endlich wieder als liebevoll aufgearbeitete Re-Issues in neuem Digipak samt Booklet mit allen Texten, ohne jeglichen überflüssigen Schnickschnack, wie Bonus-Titel oder anderen, zuvor nie zur Veröffentlichung vorgesehenen Käse, von Blue Rose Records als Neuauflage zu erstehen. Wer also auf der Suche nach Unveröffentlichtem bei diesen Neuveröffentlichungen ist, wird hier nicht fündig, auch wenn die neue Digipak-Gestaltung (auf den Original-Ausgaben basierend) sehr reizvoll gelungen ist.
Da sich aber alle Alben von THE BRANDOS, die sich übrigens nach <a href="https://www.youtube.com/watch?v=dlKWlx-Yxkg" rel="nofollow">dem Kult-Film „The Wild One“</a> aus dem Jahr 1953 bzw. dessen Hauptdarsteller Marlon Brando benannten, durch ihren stark irisch geprägten Folk Rock der Marke CREDENCE CLEARWATER REVIVAL über THE HOOTERS bis BIG COUNTRY mit textlichem Tiefgang auszeichnen, sind diese Neuveröffentlichungen für alle, die Folk Rock zwischen Traditionellem, Singer/Songwriter, hart Rockendem und modernem Americana mögen, eine echte Bereicherung für ihre Platten- bzw. CD-Sammlung! Im Grunde genommen gehören THE BRANDOS in jede gut sortierte Plattensammlung, in der es einen Bereich Folk Rock gibt!
Und textlich steht bei der New Yorker Band, deren unangefochtener Kopf DAVID KINCAID – ihr Gitarrist, Komponist, Texter, Produzent und Sänger mit der Reibeisen-Stimme, die viele Parallelen zum CCR-JOHN-FOGERTY aufweist – im Grunde immer eine ähnliche Problematik und zugleich Feststellung im Mittelpunkt, welche sie auf ihrem letzten Album mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=TyB5rbMNn6U" rel="nofollow">„What Kind Of A World“</a> ausdrucksvoll mit der Frage, was für eine Welt wir unseren Kindern hinterlassen („Und ich hoffe, mein Kind, dass du niemals eine Waffe in deinen Händen halten musst!“), auf den Punkt brachten. Dabei kommen sie immer, wie bei <a href="https://www.youtube.com/watch?v=g-tfxAOA4SA" rel="nofollow">„Senor Coyote“</a>, zu dem gleichen Ergebnis, nämlich dass höllische Dämonen sich hier längst niedergelassen haben und es an uns ist, diesen, wenn wir sie schon nicht vertreiben können, nicht unseren Lebensraum völlig überlassen dürfen.
<b>Honor Among Thieves (1987)</b>
Bereits das erste Album und der erste Titel darauf – das großartige <a href="https://www.youtube.com/watch?v=CMb9Uoi0d2M" rel="nofollow">„Gettysburg“</a> – macht klar, in welche Richtung die musikalische BRANDOS-Reise geht, welche besonders auch der Kincaid-Stimme mit ihrer immensen Ähnlichkeit zu JOHN FOGERTY geschuldet ist: CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL mit Texten, in denen kleine, spannende Geschichten über Außenseiter, vom Leben Betrogene und von den Ungerechtigkeiten auf der Welt erzählt werden, wobei man auf solche Zeilen wie in <a href="https://www.youtube.com/watch?v=FuF6c980Sug" rel="nofollow">„Strychnine“</a> erst einmal kommen muss: „Some folks like water / Some folks like vine / I like the taste / Of straight strychnine.“ (Einige Leute mögen Wasser, andere mögen Wein, ich aber liebe den Geschmack von starkem Strychnin.)
<b>Gunfire At Midnight (1992)</b>
Man musste lange auf das zweite THE BRANDOS-Album warten. Der Grund dafür war nicht etwa ein Mangel an Songs, sondern Probleme mit ihrer damaligen Plattenfirma, welche das New Yorker Quartett völlig im Regen stehen ließ, bis die endlich ihr mitternächtliches Gewehrfeuer eröffneten.
Hier ähnelt nicht nur das Cover, sondern auch die Musik von „Gunfire At Midnight“ in hohem Maße dem 87er-Debüt-Album von THE BRANDOS. Auch die Laufzeit des Albums bleibt wieder unter 40 Minuten.
Bei <a href="https://www.youtube.com/watch?v=hwl-kgH2S90" rel="nofollow">„How The Dice Fall“</a> gibt‘s noch dazu einen Ausflug in AC/DC-Gefilde, womit Kincaid sogar beweist, dass in ihm der 1980 verstorbene BON SCOTT noch verdammt lebendig klingt.
Kurios ist auch das Ende des Albums, das mit einer echten Rock‘n‘Roll-Rockabilly-Nummer und einer weiblichen Stimme, die auf Deutsch „Dankeschön, mein Schatz!“ sagt, endet!
<b>The Light Of The Day (1994)</b>
Auf ihrem 94er-Album ziehen THE BRANDOS, die auf ihren ersten beiden Alben noch ausschließlich als Quartett auftraten, jede Menge zusätzliche Musik(er)-Register und erweitern ihre Aufnahmen um Orgel und Piano sowie Geige, Percussion und gleich mehrere zusätzliche Gitarristen. Selbst ein echter Roots-Blues erklingt mit dem "Jail Bar Blues"!
Auch besitzt „The Light Of The Day“ ein offensichtliches Konzept und beschäftigt sich mit dem Thema Gefangenschaft. Selbst das Cover weicht von seiner Gestaltung her, mit einer Aquarell-Zeichnung statt einem Band-Foto, komplett von den beiden Vorgänger-Alben ab.
Dafür klingen allerdings weiterhin unüberhörbar CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL durch, aber der Gitarren-Rock wird noch druckvoller, zusätzlich werden durch die Keyboards auch bis dato ungewohnte, sehr schöne Harmonien gesetzt. Anno 1994 klingt „The Light Of The Day“ tatsächlich schon nach echtem Retro-Folk-Rock, der sich all den neuen musikalischen 90er-Einflüssen von Grunge bis Electro-Pop maßgeblich verweigert und auf diese Weise die THE BRANDOS-Authentizität der ersten beiden Alben bewahrt, auch wenn das Sound-Spektrum auf „The Light Of The Day“ deutlich erweitert wird.
Für ihre Zukunft haben sich THE BRANDOS mit der tatkräftigen Unterstützung ihres rührigen Labels Blue Rose noch viel vorgenommen. Wenn die alten Alben, welche schon seit Ewigkeiten nicht mehr im regulären Handel erhältlich waren, als Neuveröffentlichungen aufgelegt sind, wobei auch die bisher nur als Eigenpressung existierende, sehr rare Live-Aufnahme vom Loreley-Festival am 9. Juli 1999 mit dabei sein wird, beginnt ab Mitte September 2018 <a href="http://www.nowherezone.de/index.php/tour-2018.html" rel="nofollow">ihre große Europa-Tour</a>. Und wenn alles glatt läuft, wird im Anschluss daran sogar eine große THE BRANDOS-Vinyl-Offensive gestartet. Das haben sich die Mannen um Dave Kincaid in den über 30 Jahren ihres Bestehens mehr als redlich verdient!
Für dieses FAZIT zu den drei Neuauflagen der THE BRANDOS-Alben der Jahre 1987 bis 1994 kann man getrost einen Satz, der bereits in dieser Review schon einmal gefallen ist, wiederholen: „Da sich alle Alben von THE BRANDOS durch ihren stark irisch geprägten Folk Rock der Marke CREDENCE CLEARWATER REVIVAL über THE HOOTERS bis BIG COUNTRY mit textlichem Tiefgang auszeichnen, sind diese Neuveröffentlichungen für alle, die Folk Rock zwischen Traditionellem, Singer/Songwriter, hart Rockendem und modernem Americana mögen, eine echte Bereicherung für ihre Platten- bzw. CD-Sammlung! Im Grunde genommen gehören THE BRANDOS in jede gut sortierte Plattensammlung, in der es einen Bereich Folk Rock gibt!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.07.2018
Ernie Mendillo
Dave Kincaid, Larry Mason, Ernie Mendillo, Rick Starr
Dave Kincaid, Ed Rupprecht, Scott Kempner, James Mastro
Don Sternecker, Seth Farber
Larry Mason, Frank Funaro
Ed Rupprecht (Mundharmonika), Boris Kinberg (Percussion), Freddy Koella (Violine), Seth Farber (Akkordeon)
Blue Rose Records/Soulfood
120:35
25.05.2018