Im weiteren Blues- und Americana-Milieu kennt man alle vier Mitglieder von US RAILS schon seit vielen Jahren. Vor allem Tom Gillam und Ben Arnold sind durch ihre zahlreichen Soloauftritte innerhalb der Szene bekannt geworden und neben Scott Bricklin sowie Matt Muir die Strippenzieher der seit zehn Jahren existierenden "neuen" Band. Deren neues Album "We Have Been Here Before" dürfte in den anvisierten Kreisen zum Selbstläufer werden, wenn man die Qualität und Ausrichtung des darauf enthaltenen Materials zum Maßstab nimmt.
Wenn die Scheibe nämlich für eines steht, dann Konstanz bzw. Traditionspflege. Sie folgt vier früheren, die mit schöner Regelmäßigkeit im Ein- bis Zweijahrestakt erschienen sind, und steht dem jüngsten "Ivy" (2016) in nichts nach - was insofern ein Coup ist, als sich die Mitglieder diesmal ausschließlich auf Kompositionen aus fremden Federn berufen, die sie sich gewissermaßen zu eigen gemacht haben. Deshalb merkt man als Unbedarfter nicht, dass es sich bei "We Have Been Here Before" um eine Cover-Platte handelt.
Und die Auswahl der gebotenen Tracks ist nichts weniger als originell, denn statt die ewig oft bemühten Standards anderer Singer-Songwriter, Country-Stars oder Blues-Ikonen aufgetischt zu bekommen, freut man sich auf einen bunten Reigen von Stücken aus einem sozusagen "alternativen" American Songbook. Dem verstorbenen Enfant Terrible Warren Zevon wird mit 'Poor Poor Pitiful Me' Tribut gezollt (und eben nicht dem vorhersehbaren 'Werewolves Over London'), wohingegen 'I'd Rather Be (Blind, Crippled & Crazy)' von O. V. Wright stammt und nach 45 Jahren ein niveauvolles Update erfahren hat
Jackson Brownes 'Running On Empty' ist nur unwesentlich jünger, wobei US RAILS durchaus auch eines der bekannteren Lieder des Grammy-Albums mit dem gleichen Titel hätten wählen können. Von ihrem Händchen von Dynamik zeugen indes die beiden nicht umsonst aufeinander folgenden Stücke 'Love In Vain' und 'Train In Vain', die jeweils von den Rolling Stones und The Clash stammen, aber von allen hier vertretenen Tracks am schwierigsten auf ihre Ursprünge zurückzuführen sind.
Insider schnalzen mit der Zunge, wenn sie erfahren, dass US RAILS Atlanta Rhythm Section ('So Into You') und World Party (Karl Wallinger) die Ehre erweisen, letzteren gleich zweimal mit 'Everybody Knows This Is Nowhere' und 'Put The Message In The Box'. Man darf dem Quartett gehörige Pfiffigkeit attestieren, denn so wie es die Stücke auf dem Album angeordnet hat, ist ein funktionierender Spannungsbogen entstanden, der sich einem wirklich eigenen Werk zum Verwechseln ähnlich anhört.
FAZIT: Auf "We Have Been Here Before" verfeinern US RAILS ihr stilistisches Repertoire anhand von "Fremdkörpern". Die gebotenen Coverversionen werden handwerklich und produktionstechnisch hervorragend präsentiert, zeugen aber vor allem von Herzblut, als ob sie auf dem eigenen Mist der Musiker gewachsen seien, und ergeben in Summe ein Album, das in seiner Stiltreue und Stimmigkeit glatt ein eigenes der Gruppe sein könnte. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/44e78fa78d3d48dc86d4417eb57c81d0" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.02.2018
Blue Rose / Soulfood
54:21
23.02.2018