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Unplaces: Changes

Stil: Electro-Rock, Dark-Wave, Post-Punk

Cover: Unplaces: Changes

Aus der Bochum-Hannoveraner Band NRT, wurde dummerweise des gleichnamigen Fernsehsenders wegen, nun also UNPLACES.
Anderer Name, andere Musik?
Aber nicht doch – die ehemaligen NRT und jetzigen UNPLACES kombinieren noch immer mit fetten Gitarren und Keyboards sowie beeindruckendem Gesang, dunklen Wave mit Rock und Trip-Hop-Beats sowie so einigem Punk-Appeal und jeder Menge Electronics, um zwischen härter Rockendem und melodiös Hymnischen eine breite Palette musikalischer Stilvielfalt abzudecken.

Für ihr aktuelles erstes Album „Changes“ (Ein besserer Titel konnte diesbezüglich gar nicht gefunden werden!) unter neuem Namen UNPLACES legen sie sich dafür schon im Vorfeld ganz besonders ins Zeug und präsentieren es in einem hochanspruchsvollen DigiBook mit zwei fetten eingeklebten Booklets (ein 16seitiges und ein 20seitiges) und wählen sich noch dazu mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=wSW61Nv2oGc" rel="nofollow">„Such A Shame“</a> von TALK TALK eine Coverversion aus, die eine große Herausforderung für jeden Musiker darstellt – UNPLACES jedenfalls meistern diese mit ruhig-verhaltener Bravour.

Selbst thematisch verfolgt das junge Musiker/innen-Trio ein Konzept, in das sich „Such A Shame“ hervorragend einfügt, denn es geht um all die Selbstzweifel, denen man sich im Zeitalter der modernen Medien und wahnwitzigen Globalisierung sowie permanentem Konsumzwang und unkontrolliertem Informationsfluss ausgesetzt sieht. Man verliert sein eigenes Ich an visuelle Kunstbilder und wird so selbst zu einem „Such A Shame“ … Was für eine Schande!
Ist „Changes“ – Veränderung – dabei eine Lösung oder doch nur eine Flucht in den nächsten multimedialen Irrsinn oder wie es so schön in „Such A Shame“ heißt: „Maybe I don‘t know if I should change / A Feeling that we share / It‘s a shame.“

Schon der Einstieg in das Album mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=kYncgnGjY5A" rel="nofollow">„Utopian Dream“</a> zeigt uns, dass diese Utopie kaum noch eine ist und uns, wenn wir so weitermachen, dunkle Zeiten – oftmals bei UNPLACES mit ebenso dunklen Soundflächen, bedrohlichen Electronics und fetten Bässen in Szene gesetzt – erwarten: „I feel hemmed in / No Utopia“. Auch der eindringliche weibliche Gesang trägt überzeugend zu der mitunter apokalyptischen Stimmung bei, die auf „Changes“ verbreitet wird, wenn in dem bedrückendsten Song „Against Ourselves“ die letzte Erkenntnis steht, dass der ständige Kampf gegen uns selbst, der selbstzerstörerische Egoismus, der Hang nach dem Erreichen von Superlativen, die am Ende in Depressionen und Isolation führen, sich zu einem regelrechten Krieg ausgeweitet hat, aus dem wir als Verlierer hervorgehen müssen.
Oder schaffen wir es vielleicht doch, noch rechtzeitig die <a href="https://www.youtube.com/watch?v=cZ89ReVBsKY" rel="nofollow">„Reset“</a>-Taste in unserem eigenen Leben zu drücken?

Immer wieder schleichen sich in die dunklen Töne hoffnungsvolle Melodien ein, die das Zeug zum Pop-Song haben, ohne dabei allerdings die nächtliche Atmosphäre zu verlassen oder sich in dieser Hitzeschlacht vor unserer Tür zum nächsten Sommer-Song zu entwickeln. „Changes“ passt viel besser zu dieser Zeit der Dürre, in die wir abdriften, wenn wir weiterhin glauben, mit moderner Technik die natürlichen Prozesse austricksen zu können: „Bits and bytes rule you / You get lost in deep space“ („Lost In Space“).
Es sind eher die Visionen – musikalisch wie textlich samt Sprechgesängen – einer ANNE CLARK oder der frühen DEPECHE MODE, die sich in der Musik von UNPLACES vereinen, als die euphorischen Schönwetterberichte der geklonten Radio-Pop-Kultur, die uns in einem Haufen geballten Schönklangs einlullt, während wir in unserem eigenen Schweiß zu ertrinken drohen.

Am Ende hinterlassen uns die UNPLACES mit „Open End“ aus ihrem Album und wir spüren dieses Gefühl, das uns bedrückt, wenn wir darüber nachdenken, wie es weitergehen soll, wenn längst aus dem letzten Satz von Fontanes „Effie Briest“: „Es ist ein weites Feld, Luise!“, bei uns: „Es ist ein vertrocknetes Feld, liebe Leute!“, geworden ist. Höchste Zeit also für „Changes“! Ohne „Open End“!

Woran UNPLACES unbedingt noch feilen sollten, sind die Kompositionen, die auf die Dauer des fast einstündigen Albums etwas zu bedrückt-eintönig ausfallen und der Sound, dem es leider an einigen Höhen und richtig guten Stereo-Effekten mangelt, die sich in das Album-Konzept im Grunde ausgezeichnet einfügen würden, damit der Klang genauso fasziniert wie die ausgezeichnete Gestaltung und das Konzept hinter „Changes“!

FAZIT: Die ehemaligen NRT aus Bochum und Hannover sind zu UNPLACES geworden und präsentieren unter neuem Namen mit gewohntem Dark-Wave-Klang und Electro-Rock sowie einem ausgezeichnet gestalteten DigiBook, hinter dem sich das Konzept der zwanghaften Unterwerfung des Menschen unter die Technik und den Wirtschaftswahn verbirgt, mit „Changes“ ihren Weg zu neuen Ufern, der allerdings nichts von dem Altbekannten und Liebgewonnenen missen lässt.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.08.2018

Tracklist

  1. Utopian Dream
  2. Escape
  3. Changes
  4. The Left Behind
  5. Lost In Space
  6. Such A Shame
  7. Reset
  8. Downshifting
  9. Insight
  10. Mister Bot
  11. Freedom
  12. Pseudo Reality
  13. Against Ourselves
  14. Open End

Besetzung

  • Bass

    Petra Franetzki

  • Gesang

    Dorette Gonschorek

  • Gitarre

    Dorette Gonschorek

  • Schlagzeug

    Daniel Fasold

  • Sonstiges

    Dorette Gonschorek (Trompete)

Sonstiges

  • Label

    Tangrami Records/TimeZone

  • Spieldauer

    58:39

  • Erscheinungsdatum

    01.06.2018

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