Er ist noch immer der „Man In Black“, der Heilige Gral zwischen Singer/Songwriter und Country-Folk plus Americana - aber leider schon seit 15 Jahren tot. Seine Musik aber blieb genauso lebendig wie zu seinen Lebzeiten, die – wie es der Reclam-Verlag so treffend beschreibt – durch eine unglaubliche Größe geprägt war: „Es gibt nur wenige Musiker, die über ihre gesamte Karriere hinweg sowohl ihre musikalische, als auch ihre persönliche Integrität wahren konnten. Cash war stets der Troubadour der Armen und Geknechteten und zeigt bis heute, dass Country kein zuckerwatteweiches, verlogen-gottesfürchtiges Heile-Welt-Geplätscher sein muss, sondern mit hartem Realismus Bilder zeichnen kann vom Unglück und Niedergang Unschuldiger und derer, die eine zweite Chance verdient haben. Nashville und Garth Brooks könnten nicht weiter von dem entfernt sein, was JOHNNY CASH an Tondokumenten geschaffen hat.“
Jedenfalls verlor die wahre, ursprüngliche, ehrliche Country-Musik mit dem Tod von JOHNNY CASH am 12. September 2003 ihren bedeutendsten Vertreter, dessen musikalische Cowboystiefel für alle, die nach ihm kamen, bisher deutlich zu groß sind.
Mit diesem Album aber gewinnt sie eine schier unerwartete Gedenk-Scheibe, die von der Idee und Umsetzung her, etwas ganz Besonderes und garantiert kein aufgebretzeltes Best-Of-Cover-Album von Musikern geworden ist, die sich altbekannte Songs von JOHNNY CASH vornehmen, um diese als ihre Cover-Versionen auf ein Tribute-Album zu brezeln.
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=GQoaQP8l-k4" rel="nofollow">„Johnny Cash Forever Words“</a> entführt uns unter der Federführung des ältesten Sohns von June und Johnny Cash, John Carter Cash, in die Welt von bisher noch nie vertonten JOHNNY CASH-Texten – unbekannte Gedichte, Songtexte, Briefe, basierend auf dem Bestseller „JOHNNY CASH Forever Words: The Unknown Poems“ –, die von Musikern, welche Cash musikalisch oder persönlich ganz nahe standen, in ihrer ureigenen Art interpretiert werden, ohne dass es dafür eine kompositorische Cash-Vorlage gab.
Größtenteils wurden die Songs in der „Cash Cabin“ in Hendersonville von John Carter Cash gemeinsam mit Steve Berkowitz aufgenommen und produziert. Cash Junior lud dafür vor gut zwei Jahren extra die durch ihn ausgewählten Künstler ein, um die nach Cashs Tod entdeckten unvertonten Texte seines Vaters von solchen Größen wie CHRIS CORNELL, THE JAYHAWKS, T BONE BURNETT, ELVIS COSTELLO, KRIS KRISTOFFERSON, WILLIE NELSON, JEWEL und vielen Anderen, darunter auch Cash- und Carter-Familienmitglieder, erstmals vertonen zu lassen.
Das 16seitige Booklet gibt diesbezüglich durch die Linernotes von Paul Muldoon, John Carter Cash und Steve Berkowitz ausführlich Auskunft, außerdem erfährt man zu allen auf dem Album vertretenen Musiker die wichtigsten Angaben und sieht ein Schwarz-Weiß-Bild von jedem. Allerdings ist es sehr traurig und unverständlich, dass die neu entdeckten Texte von JOHNNY CASH, bis auf „Gold All Over The Ground“, das als Foto des von Cash auf einem Abreißzettel handgeschriebenen Textes auf dem Digipak verewigt wurde, nicht im Booklet enthalten sind. Es wäre eine gelungene zusätzliche Bereicherung zu diesem außergewöhnlichen Album gewesen!
Dafür bietet aber die extra zu dem Album entworfene Homepage einen hervorragenden Überblick, wenn man <a href="http://www.johnnycashforeverwords.com" rel="nofollow">unter der Rubrik „Artists“</a> neben allen beteiligten Musikern auch das entsprechende Video zu dem Song sehen kann sowie ein Foto des Originaltextes von JOHNNY CASH, der als Song vertont wurde. Eine echte Meisterleistung, auch wenn man die noch auf das Booklet hätte erweitern können.
Bereits <a href="https://www.youtube.com/watch?v=LT6zBqAzbdU" rel="nofollow">der Opener des Albums</a> stellt eine immense Nähe zu JOHNNY CASH her, denn hier werden von den zwei legendären amerikanischen Country-Ikonen KRIS KRISTOFFERSON & WILLIE NELSON, die lebenslang bis zu dessen Tod eng mit Cash befreundet waren, gleich zwei Texte musikalisch interpretiert. Und man kann annehmen, dass JOHNNY CASH beim Hören dieser Stücke sehr bewegt wäre.
Noch bewegender, fast schicksalhaft aber ist der Beitrag von CHRIS CORNELL, einer seiner letzten überhaupt, bevor er sich am 18. Mai 2017 das Leben nahm. <a href="https://www.youtube.com/watch?v=UFFnXW7dHdM" rel="nofollow">„You Never Knew My Mind“</a> beweist sich im Nachhinein fast so, als hätte Cash diesen Song speziell für Cornell geschrieben: „I know you feel the way I changed / But you can‘t change the way I feel.“
Wow, das geht tief und bleibt für ewig hängen! Und vielleicht hat sich ja Cornell bereits im musikalischen Jenseits bei Cash für diese Zeilen bedankt. Schön wär‘s! Uns aber bleibt nur, den musikalischen Himmel im Diesseits zu genießen, der uns mit „Johnny Cash Forever Words“ eröffnet wird.
FAZIT: Eine großartige Idee des ältesten Sohns von JOHNNY CASH und JUNE CARTER in die musikalische Tat umgesetzt. Auf „Johnny Cash Forever Words“ vertonen wichtige, von John Carter Cash ausgewählte, Musiker und Familienmitglieder aus dem engen Umfeld von JOHNNY CASH bisher unvertonte Texte von ihm. Auf Einladung von Cash Junior erweisen sie so dem „Man In Black“, der am 12. September 2003 im Alter von 71 Jahren an Lungenversagen verstarb, mit ihrer eigenen Kompositionen eine ganz besondere Ehre.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.04.2018
Sony Music Entertainment
57:11
06.04.2018