Für im deutschen Metal-Untergrund Alteingesessene kommt es einer kleiner Sensation gleich, dass VELVET VIPER nach über einem Vierteljahrhundert (!) ein neues Studioalbum vorlegen. Aushängeschild Jutta Weinhold und ihr langjähriger Gitarrist Holger Marx haben ihre Köpfe zusammengesteckt, um der überschaubaren Fangemeinde der Gruppe Musik auf die Ohren zuzuschneiden, an der es für sie nichts zu beanstanden gibt. Ebendies ist das große Plus und zugleich die Krux von "Respice Finem".
Im Grunde handelt es sich bei der Scheibe um eine logische Fortführung des Schaffens der Frontfrau, ob sie nun unter ihrem eigenen Namen oder im Kontext von Zed Yago bzw. eben VELVET VIPER Songs veröffentlichte. "Respice Finem" ist eine Predigt für Bekehrte, die sich gewaschen hat, denn neue Hörerkreise wird sich die Gruppe damit nicht erspielen. Das bedeutet andererseits nicht, dass die Scheibe nicht höheren Ansprüchen genügen würde. Das Gegenteil ist der Fall; geradlinige Tracks wie 'Don't Leave Before Wintertime' oder 'Law Of Rock' gehen mit epischeren Stücken einher, allen voran dem überlangen Titelsong, in dem sich viele Vorzüge der Band bündeln.
Pompöse Dramatik, klasse arrangierter Chorgesang und eine dezente Keyboard-Untermalung, die der Gesamtatmosphäre tatsächlich zugutekommt, ergeben ein ausgewogenes wie vertrautes Klangbild, das die Zeiten voraussichtlich besser überdauern wird als manche Bierzelt-kompatiblen Auswüchse von Juttas kleiner "Schwester" Doro. Die alterslose Stimme der immerhin schon 70-Jährigen ist eine Ausnahmeerscheinung und nach wie vor ein echter Hinhörer. Dass die unverwüstlichen VELVET VIPER von jeher ein in kommerzieller Hinsicht verhältnismäßig kleines Licht waren, daran dürfte sich in Ermanglung richtig mitreißender Lieder auf "Respice Finem" zwar nichts ändern, doch wenn eine altgediente Band in diesem Jahr ein würdevolles Comeback feiert, dann diese.
FAZIT: "Respice Finem" erinnert an VELVET VIPERS selbst betiteltes Debüt von 1990, weist subtil progressive Züge auf und lebt in nicht unerheblichem Maß von der Hingabe, mit der Geschichtenerzählerin Jutta Weinhold singt. Teutonen-Metal-Spezialist Kai Hansen (Gamma Ray, Helloween) ließ als Produzent klanglich nichts anbrennen, die leichte Classic-Hardrock-Schlagseite erfreut, und dass sich nur ein schwedisches Label dazu hinreißen ließ, diese Band zu betreuen, ist hierzulande eigentlich ein Armutszeugnis, gerade wenn man sich die zahllosen mittelmäßigen Signings vor Augen hält, die man auf wöchentlicher Basis aufgetischt bekommt. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/cd0659d19e7440468474771f41a89d30" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.03.2018
GMR / Soulfood
60:22
02.03.2018