Zurück

Reviews

Viaggio: II

Stil: Jazz / Weltmusik

Cover: Viaggio: II

“Akkordeonjazz ist wie Blutwurst” könnte irgendjemand irgendwann einmal gesagt und damit nicht ganz verkehrt gelegen haben. In der Welt des Indikativs allerdings ist die Musik auf VIAGGIOs zweitem Vollzeitalbum „II“ alles andere als Hausmannskost und damit prädestiniert für anspruchsvolle Gaumen.

Klassischen Jazz sollte man vom deutsch-spanischen Quartett keineswegs erwarten. Neben Eigenkompositionen, die zumeist der Feder von Stefan Back (Klarinette) und Arne Gloe (Akkordeon) entstammen, findet sich auf „II“ auch Platz für weltmusikalische Traditionals („Beym Rebn“, „Jovano“). Der Vierer deckt eine mehr als beachtliche Bandbreite an Stilistik und Dynamik ab, die den 11 Songs sowohl eine gewisse Frische als auch charakteristische Eigenständigkeit beschert.

„Di Dumba“ führt mit schwelgerischem Thema perfekt passend ins Album ein und gönnt dem Hörer zu Beginn westlich Vertrautes, ohne sich virtuoser Effekthascherei bedienen zu müssen. Schönheit durch Einfachheit gewissermaßen – VIAGGIO agieren mit großer kompositorischer Selbstsicherheit und Überzeugung, die direkt zu Beginn ihren Ausdruck findet.
Nach dem ruhigen „Hope for Mel“ fährt „If he had ever visited Bulgaria“ den folkloristischen Anteil deutlich nach oben. Back und Gloe überzeugen mit paralleler Stimmführung an Klarinette und Akkordeon, hinzu kommt (unverhofft) die Melancholie des gestrichenen Kontrabass von Gerd Bauder. Wieder ruhige Momente, die in wenigen Noten viel Gefühl zu transportieren wissen.
Mit „L’adieu des amoureuses“ und „Tarantella“ folgen klassischere Arrangements, die besonders in letztem Fall von der lebhaften Percussion Fain Sánchez Dueñas‘ profitieren (höre auch die solistische Einlage im „Schwarzwaldexpress“). Auch in den beiden Traditionals „Jovano“ (hörbar am Balkan zu verorten) und „Beym Rebn“ spielt das Quartett Leichtigkeit wie Getragenheit mit einer Authentizität auf, die Spaß macht.
Im Schlusstrio von „II“ darf noch einmal getanzt werden: „Miriam Astor“ gefällt mit dynamischen Thema-Variationen, bevor der „Tangorinho Waltz“ auf großartige Weise den vorher gehörten Kontrast aus leicht und schwer aufgreift und durch spielerische Klasse (und ein wenig songschreiberische Traute) schlüssig miteinander verbindet. So mausert sich der kleine Tango-Walzer zu einem späten Highlight im ohnehin starken Material auf „II“, zu dessen Ende sich Bauder in „Clemente“ noch einmal solistisch ausleben darf.

FAZIT: Moderne Jazz-Klänge, die tief in den vielfarbigen Topf der Weltmusik getunkt und hochklassig präsentiert werden – große Empfehlung für diese halbe musikalische Weltreise. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/d017b5450cb9497ab90228511f35ef8f" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.08.2018

Tracklist

  1. Di Dumba
  2. Hope for Mel
  3. If he had ever visited Bulgaria
  4. L’adieu des amoureuses
  5. Tarantella
  6. Jovano
  7. Schwarzwaldexpress
  8. Beym Rebn
  9. Miriam Astor
  10. Tangorinho Waltz
  11. Clemente

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    The Finest Noise

  • Spieldauer

    48:49

  • Erscheinungsdatum

    30.03.2018

© Musikreviews.de