Alessandro Sicure ist der alleinige Strippenzieher von VISIONOIR und spielte einzig die Gitarre für dieses Album nicht ein; dies übernahm sein ehemaliger Bandkollege von Blind Mirror, Mattia Pascolini, mit deren Sound das Projekt nur noch am Rande etwas zu tun hat. In mehreren Songs verarbeitet der Künstler Gedicht-Aufnahmen aus fremder Feder: in 'The Hollow Men' das gleichnamige von T.S. Eliot, Ezra Pounds "Hugh Selwyn Mauberley [Part II]" in 'he Discouraging Doctrine of Chances', Antonin Artauds "Aliènation et Magie Noir" in 'Electro-Choc' und Dylan Thomas' "The Lament" für 'A Few More Steps'.
Über dieses anachronistischen Samples hinaus gestaltet sich das Treiben arg synthetisch, so wie man es von einem Solo-Projekt im Spannungsfeld Progressive Rock bis Metal - denn nichts weniger ist VISIONOIR - oft zu Recht erwartet. Auch wenn Sicure Wert auf kompakte Kompositionen legt und sein zweifellos vorhandenes Können als Multi-Instrumentalist in den Dienst des klassischen Songs stellen möchte, kitzelt "The Waving Flame Of Oblivion" keinen emotionalen Nerv.
Kurzum, die Scheibe ist nett anzuhören, teils liebevoll arrangiert und mit sinnigen Gitarrenleads ausgestattet, teils schlicht überambitioniert, etwa wenn das Keyboard ungebührlich präsent im Vordergrund dudelt, als würde sich der Schöpfer in irgendwelchen Fingerübungen ergehen. Die besten Momente verzeichnet das Album dann, wenn Sicure wie ein Filmsoundtrack-Komponist gedacht hat (unterstellen wir jetzt einfach mal); dann kommt dezentes Kino-Flair auf, und tatsächlich könnte man sich diese Art von Musik eingedenk ihres unterkühlten Sounds am ehesten in einem futuristischen Leinwand-Streifen vorstellen.
FAZIT: Dass "The Waving Flame Of Oblivion" in einem durchaus ungewöhnlich langen Zeitraum von fünf Jahren entstanden ist, hört man dem Longplayer deutlich an. Alessandro Sicure ist ein solider Musiker an mehreren Instrumenten, kann grundlegend Songs schreiben und düstere Stimmung damit erzeugen, doch wie so oft im Falle musikalischer Einzelkämpfer hapert es an Feeling und Umsicht. Die dezent proggigen Rock- bis Metal-Tracks des Albums genügen handwerklichen Standards, lassen aber kalt und sausen haltlos in ein Ohr rein, aus dem anderen wieder raus.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.03.2018
Eigenvertrieb
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02.03.2018