Der texanische Tenorsaxofonist Walter Smith , ein zwischenzeitlicher Zuarbeiter veritabler Größen wie Roy Haynes oder Joe Lovano, hat im Lauf der Jahre Abstand vom völligen Umkrempeln der Stücke anderer Künstler genommen und versucht mit "Twio" einen Kompromiss zwischen Innovation und Originaltreue, was Jazzstandards angeht. Der Titel des Albums ist dabei eine hintersinnige Ansage.
Smith hat zwei Vertraute bei diesem Unterfangen, spielt aber nicht immer zusammen mit beiden und zieht obendrein Gäste hinzu, die sich mit Tieftöner Harish Raghaven sowie Trommler Eric Harland abklatschen. Starbassist Christian McBride und der nicht minder bekannte Tenorsaxofonist Joshua Redman wirken in vier bzw. zwei Stücken mit, letzterer inbesondere bei einigen halsbrecherischen Unisono-Parts, die glauben machen, hier wolle jemand einen "Saxophone Summit" für die Neuzeit veranstalten.
Im retrospektiven Sinn darf man sicherlich auch das Artwork des Albums begreifen. Selbst die einzige Eigenkomposition des Trios ('Contrafact) beruht auf einem älteren Werk - 'Like Someone In Love'- und wurde bloß auf 5/4 gebürstet, doch da diese Konstellation ein zum Spielen von Akkorden taugliches Instrument entbehrt, ergeben sich interessante Lesarten dessen, was man hinlänglich zu kennen gemeint hat.
So geschehen etwa mit Wayne Shorters vielleicht bekanntester Komposition 'Adam's Apple' oder 'We'll Be Together Again', das ganz ohne Bass-Fundament eine balladenhafte Verschnaufpause darstellt. Thelonious Monks 'Ask Me Now' lässt sich zu Beginn vielleicht noch am schnellsten erkennen, wohingegen Gigi Gryes 'Social Call' in ein relaxtes Bass-Sax-Duett umgemünzt wird. Stan Getz' 'The Peacock' findet sich in einer kontemplativ anmutenden Interpretation auf "Twio", und 'On The Trail' von Ferde Grofé dürfte die "exotischste" Wahl der Protagonisten sein. Alldieweil nehmen sie sich alle erdenklichen Freiheiten, gehen mitunter gewagt mit dem Ausgangsmaterial um und wahren dennoch Respekt davor - genau so, wie es eben sein soll.
FAZIT: Vier Jahre nach "Still Casual" beweist William Smith in einem III-o, das keines ist, dass er den Kern dessen, was Jazz ausmacht, als gegenwartsrelevanter Jazzsaxofonist mit eigener Handschrift zur Gänze begriffen hat, indem er gutes Altes auf wenn nicht bessere (was bedeutet das schon im Zusammenhang mit Musik?), so doch in jedem Fall erfrischend andere Art ausdeutet und eine Lanze bricht für die Grundhaltung alter Pioniere: stets den Flow waren, Bewährtes durch fortwährende Umgestaltung erneuern und so am Leben halten. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/2f8a1f590d184ef4b6e0dd0679a4db14" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.05.2018
Whirlwind
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04.05.2018