Sie zogen in die Kirche und ließen dabei ihren Joint zu Hause!
Was als „Folkduo mit psychedelischem Einschlag“ im Jahr 1969 begann, durch einen frechen Song wie <a href="https://www.youtube.com/watch?v=9zXhUnevS0I" rel="nofollow">„Nimm einen Joint, mein Freund“</a> seinen Höhepunkt erreichte und kurze Zeit später mit dem dritten 1971er-Album „Der Jesuspilz“ – ein Konzept-Album, das die Bibel ironisch neu interpretiert und den süchtig machenden Brösel zum Sinnbild alles Göttlichen werden lässt – und der Auflösung des Duos 1973 endete, genießt noch heute in der Krautrock-Szene Kult-Status.
Sireena hat sich nun mal wieder als Bewahrer von verschollen gegangenen Krautscheiben oder Konzert-Mitschnitten betätigt und „Der Jesuspilz – Live!“ aus der krautvernebelten Versenkung gehoben und dem Gotteshaus, in dem es aufgeführt wurde, vorerst entzogen, damit es bei den Nostalgikern der Szene in mittelmäßiger Sound-Qualität im CD-Player rotieren und Erinnerungen wecken kann.
Anfang der 70er-Jahre war eine verdammt gute Zeit für den Krautrock, auch den mit deutschen Texten, sodass WITTHÜSER & WESTRUPP viel Aufmerksamkeit mit ihrer Musik erhielten, in der deutschen Liedermacher-Szene genauso wie in der Rock-Szene und mal bei Konzerten mit HANNES WADER oder REINHARD MEY und FRANZ JOSEF DEGENHARDT, dann wiederum mit WALLENSTEIN auf der Bühne standen. Für ihre „Jesus-Oper“ aber hatten sie sich etwas Besonderes einfallen lassen. Damit wollten sie ganz besondere Bühnen erobern – und zwar die Altare der Kirchen, was ihnen auch gelingen, viel Aufmerksamkeit und volle Gotteshäuser bringen sollte.
Den Anfang ihrer Kirchen-Tournee macht das Essener Duo natürlich in Essen – am 25. November 1971 in der Apostel Kirche.
Die Aufnahmen von „Der Jesuspilz – Live“ entstanden bei der Generalprobe im Jugendzentrum Essen wenige Tage vor dem Kirchen-Auftritt.
Ein ungewohnt großes Medienecho auf diese interessante göttliche Musikbotschaft, die WITTHÜSER & WESTRUPP verbreiteten, hatte zur Folge, dass die beiden Acid-Kraut-Folkies mit ihrem deutschen Textprogramm singend, orgelnd, Gitarre, Ukulele, Percussion sowie Blasinstrumente spielend durch über hundert bundesdeutsche Kirchen zogen und tatsächlich mal für proppenvolle Gotteshäuser sorgten.
Die Pfarrer jedenfalls schien es nicht zu stören, dass der bei ihnen gepredigte Jesuspilz nicht ganz dem biblischen Idealbild entsprach.
Nur der Joint für einen Freund musste außerhalb der Gottestore gehört und geraucht werden.
FAZIT: Na, einen besseren Anlass für diese Review als Christi Himmelfahrt gibt es nun wirklich nicht! Sireena präsentieren mit „Der Jesuspilz - Live“ eine legendäre, bisher verschollene Live-Aufnahme des Acid-Folk-Kraut-Duos WITTHÜSER & WESTRUPP von deren Jesuspilz-Kirchen-Tournee aus dem Jahr 1971.
PS: Und wo das Album von Freunden historischen Live-Krautrocks gekauft wird, ist ja eigentlich klar, <a href="https://www.1a-shops.eu/cgi-bin/shopserver/shops/s010734/index.cgi?aktion=detail&ai=593199&ps=126826&subid=126827" rel="nofollow">genau hier mit einem Klick</a> und nicht bei...
Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.05.2018
Walter Westrupp, Bernd Witthüser
Bernd Witthüser
Walter Westrupp
Walter Westrupp, Bernd Witthüser
Sireena Records/Broken Silence
39:21
20.04.2018