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Reviews

Young Mountain: Lost Tree

Stil: Shoegaze, Hardcore, Screamo, Post-Metal

Cover: Young Mountain: Lost Tree

Wo wollen die Geister, die YOUNG MOUNTAIN auf „Lost Tree“ rief, nur hin?

Die aus Göteborg stammende Band hat ihre Ursprünge, die auch auf „Lost Tree“ nicht zu überhören sind, in der schwedischen Hardcore-Szene, in der sie anfangs wild growlend und musizierend ihre Aggressionen rausließen.
Auf YOUNG MOUNTAINs Debüt „Lost Tree“ ziehen nun aber deutlich mehr atmosphärische Stimmungen ein, die fast träumerischen Charakter haben, welcher aber immer wieder durch brachiale Hardcore-Riffs und leider auch relativ schwaches Growlen von Kami Kalantari zerstört wird. Zwei Welten treffen hier musikalisch wie inhaltlich aufeinander und öffnen dem Hörer nicht nur die Ohren, sondern auch die <a href="https://www.youtube.com/watch?v=_QE6VJgoU_Y" rel="nofollow">„Vacant Eyes“</a>.

Ein wildes Wechselspiel zwischen Shoegaze, Screamo, Hardcore, Post-Metal und einigen Ambient-Sounds ist eröffnet, das trotz aller Unterschiedlichkeit zugleich ein klares Konzept verfolgt, welches einerseits in den finsteren Tiefen der menschlichen Seele und andererseits in dem Versuch der Befreiung daraus – einer Therapie ähnlich – liegt. Da sind sie also, diese Geister, mal klar, dann wieder verschwommen, die man auf dem bedrückend wirkenden LP-Cover sehen kann.

YOUNG MOUNTAIN stellen daher bereits von vornherein zu diesem Album, das durch sein Laut-Leise-Brachial-Fragil-Hin-und-Her sicher den Einen wie die Andere etwas verunsichern könnte, eindeutig fest: „Wir hoffen, dass wir mit dem Album dem Hörer einen Einblick in verschiedene ‚Identitätsstörungen‘ geben, ohne ihn mit bestimmten Menschen in unserem Leben verbinden zu müssen. Es ist sehr schade, dass dieses Thema viel zu oft noch tabuisiert wird. Also haben wir uns dazu entschlossen, die Realität in einer fiktiven Geschichte namens ‚Lost Tree‘ zu verpacken.“

Bereits wenn man das Gatefold-Cover aufschlägt und verschwommene Geister im nächtlichen Wald entdeckt, ahnt man, was einem musikalisch bevorsteht und übersieht zuerst zwischen den Bäumen den versteckten Satz: „Dort ist ein verlorener kleiner Baum, er wächst mitten in meinem Kopf...“ Damit ist die Stimmung klar – und was passt besser als solche Stimmung zwischen Hardcore und Ambient umzusetzen?
Bloß die Screamo-Nummer hätte man sich sparen sollen.
Härte – ja, zu dünnes Geschrei – nein! Das wäre jedenfalls ein günstigerer Weg durch das gestörte Innenleben eines Menschen gewesen.

Auch die Texte, die sich auf der Innenhülle befinden, sollten unbedingt beim ersten Hördurchgang mitgelesen werden, wobei mit „Juni“ sogar ein Song in schwedischer Sprache gesungen/geschrien wird, der in das depressive „Vacant Eyes“ übergeht: „Through vacant Eyes, I stare / There is no love here.“

Ein wenig befremdlich wirkt „Lost Tree“ hierbei schon, vielleicht weil auch die Absicht dahinter überambitioniert wirkt, den textenden Musiker mehr in den Mittelpunkt rückt als den erwartungsvollen Hörer, der, bevor er sich auf „Lost Tree“ einlässt, die Hintergründe zu dem ausgeklügelten, verwirrenden Konzept kennen sollte: „Es ist die Geschichte über die Verschiebung zwischen scheinbar mehreren Realitäten. Die Texte basieren auf realen Situationen und wiederkehrenden Träumen, die ich über einen Zeitraum von drei Jahren hatte. Wir wollten, dass das Album als Soundtrack zu der Geschichte gespielt wird. Inspiriert wurde der Sound des Albums von atmosphärischer, elektronischer Musik über Indie-Pop bis hin zu Post-Metal. Es ist irgendwie traurig und glücklich zugleich wie eine Mischung aus tausend Emotionen, die alle um das Scheinwerferlicht kämpfen.“

Ein kämpferisches Album, das am Ende nicht nur siegreich aus allen Phasen seiner musikalischen Wandelfähigkeit hervorgeht.

FAZIT: Mit „Lost Tree“ gehen die schwedischen YOUNG MOUNTAIN einen gewagten Weg zwischen dem Konzept einer gespaltenen Persönlichkeit, die sich musikalisch zwischen Post-Metal und Ambient, Screamo und Shoegaze bewegt und verfolgen eine eindeutige Absicht: „Es war alles erlaubt, so lange es wie YOUNG MOUNTAIN klang.“ Ein paar nur wenig überzeugende Screams hätten sie sich aber gut und gerne verbieten können.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.09.2018

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (23:12):
  2. Asunder, To Eye Each Other (4:54)
  3. The Sun Is Away (4:05)
  4. ////////////////// (3:10)
  5. Misery (5:01)
  6. Juni (6:02)
  7. <b>Seite B</b> (17:51):
  8. Vacant Eyes (4:07)
  9. Lost Tree (6:29)
  10. I Flew Above Your House Last Night (7:15)

Besetzung

  • Bass

    John Jonsén

  • Gesang

    Kami Kalantari

  • Gitarre

    Jesper J. Hungermark, Joakim Martinsson

  • Keys

    Kami Kalantari

  • Schlagzeug

    Jakob Ekvall

Sonstiges

  • Label

    Indigo

  • Spieldauer

    41:03

  • Erscheinungsdatum

    14.09.2018

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