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Äera: Schein

Stil: Epic Melodic Black Metal

Cover: Äera: Schein

Das erste Langspielalbum von ÄERA aus dem münsterländischen Gronau klingt vertraut, die geographische Nähe zu Helrunar räumt leise Zweifel aus, welche Band vor allem tiefen Eindruck auf die Newcomer aus der Nachbarschaft gemacht haben dürfte. Insbesondere der kräftige und vergleichsweise gut verständliche Gesang von Milan S. vor dem druckvollen, meist im Midtempo gehaltenen Black Metal lassen den Rückschluss zu, dass die grimmigen Werke des Duos aus der westfälischen Großstadt zu den wesentlichen Einflüssen des Quartetts zählen, wobei damit nicht bereits alles gesagt ist. Ohnehin handelt es sich bei den Wegbereitern des Pagan Black Metal um keine schlechte Referenz, es stellt sich jedoch die Frage, welche eigenen Akzente ÄERA setzen.

Um es vorweg zu nehmen: ÄERA bewirken vor allem in träumerischen Passagen die intensivste Atmosphäre, und in der Ruhe liegt auf ihrem Einstand die größte Kraft. Beinahe bezaubernd idyllisch ist die von Akustikgitarren und sanften Trommeln getragene Eröffnung des ersten Teils von "Heimkehr" geraten, die für mich nicht nach "Ruin" (so der Titel) klingt, bevor der zweite Teil "Im Nebel" die volle Breitseite bietet - und Hermann Hesse zitiert (quasi auf Garmarnas Spuren). Wurde solche Kombination vor rund zwei Jahrzehnten nicht selten als "Gymnasiasten-Black-Metal" bespöttelt, sind längst neue Generationen von Schwarzheimern mit Herz und Hirn nachgewachsen, welche in der Musik derweil oft aktuelle Herausforderungen anstelle reiner Weltflucht thematisieren. Bereits im phantastischen (handgemalten) Cover-Kunstwerk von Timon Kokott spiegelt sich dieser sensible Fokus von Menschen in einer als gefährdet erlebten Welt. (Die Anfertigung des Covers lässt sich übrigens auf YouTube im Schnelldurchlauf zu den Klängen des Album-Openers "Feuers Gabe" nachvollziehen, was mir hundert Mal besser gefällt als die handelsüblichen "Lyric Videos".)

Während es an "Schein" handwerklich prinzipiell wenig zu bemängeln gibt, die Band ihre Hörer ohne viel Federlesen und mit gehöriger Souveränität abholt, so scheint ihr bei allem Engagement dennoch jene Distanz zum eigenen Schaffen zu fehlen, um einen Song wie "Silhouette" konsequenter zu gestalten und zackiger auf den Punkt zu kommen. Die Produktion von Markus Stock legt diese kleine Schwäche mit differenziertem wie druckvollen Klangbild in vier langen Liedern offen. Waldgeflüster und Imperium Dekadenz sind in Sichtweite, und das ist für ein Debüt, das zweifelsohne mehr Sein als Schein ist (pardon, der Wortwitz ließ sich nicht verkneifen), schon bemerkenswert. Gerade der letzte Song klingt alles andere als (verloren) "Im Nebel", sondern gefällt als Longtrack mit stimmungsvollen wie schlüssigen Arrangements, und weckt die Hoffnung, dass ÄERA in Zukunft ihre eigenen Stärken noch weiter ausbauen.

FAZIT: Mit "Schein" legen ÄERA einerseits ein Album vor, das klanglich zu den großen Namen des Genres aufschließt und typisch deutsche Schwarzmetall-Peinlichkeiten komplett umschifft, dafür mit ambitionierten Kompositionen aufwartet, die mitunter bereits atmosphärisch dicht und packend geraten sind. Andererseits geht das Quartett noch ziemlich auf Nummer sicher, sprich: nicht zu weit aus sich heraus, von ekstatischer Raserei oder überhaupt wilden Ausbrüchen ist auf "Schein" also wenig zu hören. Ergo ist das gute Debüt aus Szene-Perspektive fast schon beschaulich geraten.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.12.2019

Tracklist

  1. Feuers Gabe
  2. Auf kargem Grund
  3. Silhouette
  4. Heimkehr I - Ruin
  5. Heimkehr II - Im Nebel

Besetzung

  • Bass

    Milan S.

  • Gesang

    Milan S.

  • Gitarre

    Sven S., Simon W.

  • Schlagzeug

    Sven E.

Sonstiges

  • Label

    The Chrawling Chaos Records

  • Spieldauer

    43:47

  • Erscheinungsdatum

    06.12.2019

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