Lästerer hätten sicherlich nicht gedacht, dass es BABYMETAL einmal auf drei Studioalben bringen würden, doch der Erfolg, wie es so schön heißt, gibt dem japanischen Medienphänomen anscheinend Recht, denn "Future Metal" macht den Hattrick nun mit wie zu erwartendem großen Erfolg komplett.
BABYMETAL sind und bleiben die vermutlich ultimative Verschmelzung von zuckersüßem asiatischen Pop mit markerschütternden Riffs und donnerndem Schlagzeug bzw. Drumcomputer. Das Ergebnis klingt dann etwa in 'Oh! Majinai' auch dank Sabaton-Kasper Joakim Brodén wie gemischtgeschlechtliche Running Wild auf Steroiden und oft quasi-orchestral (höre dazu die Power-Ballade 'Shine' mit überraschend beseeltem Gitarrenspiel und Streicher-Schmelz), aber in der Regel quantisiert, zu Tode komprimiert, aseptisch, leblos, komplett mit Autotune und anderen Widerlichkeiten aus dem Repertoire zeitgenössischer Hochglanz-Produzenten. Ein solcher, aber wirklich auch ein pfiffiger Komponist mit einem Gespür für das, was jeder Depp hören möchte, ist im Übrigen auch Strippenzieher Kobametal, der Mann hinter dem ganzen Unterfangen.
Ansonsten zeigen das Kernduo sowie seine Mithelferinnen und Mithelfer in 'Pa Pa Ya!!' sogar Hip-Hop-Anwandlungen oder leben ihren Niedlichkeits-Fetisch ("kawaii") in spastischem Gezockel wie 'Da Da Dance' aus, wo Gaststimme Tak Matsumoto spritzige Akzente setzt. Plakativ zwischen krassen Kontrasten zu pendeln hat allerdings etwas von Schwarzweißmalerei, die sich im Grunde genommen zu rasch abnutzt, weshalb auch der aufgesetzte Tiefsinn der Lyrics des englischsprachigen 'Elevator Girl', wo die zwei Front-Girls über die Aufs und Abs des Lebens philosophieren, nicht richtig funktionieren will. Unter den 14 Songs befindet sich so oder so abermals einiges, was man bereits mit einem Mindestmaß an ästhetischer Empfindsamkeit gelinde gesagt als Schrott abtun darf.
Eine gewisse Spannung erzeugen Metalcore-Stereotypen - vor allem in 'Distortion' mit Arch Enemys Vorkämpferin Alissa White-Gluz am dritten Mikrofon - kombiniert mit heroischem Traditionsstahl europäischer Provenienz, wie er sich im Land der aufgehenden Sonne nahezu ungebrochener Beliebtheit erfreut, nicht zu vergessen die omnipräsenten Hooks für die Stadien dieser Welt gegenüber unwirschem Geknüppel und comichaft kindlischen Gesang wie aus einer beliebigen Anime-Serie für Grundschüler. In Perfektion demonstriert wird das von 'Brand New Day' und 'Starlight', die ohne verzerrte Klampfen reinrassiger Radio-Mainstream wären.
Man will den Teufel nicht an die Wand malen, aber das Milieu, aus dem das Projekt stammt, macht dieser Tage infolge des Todes von f(x)-Sängerin Sulli negative Schlagzeilen, und hört man nun, dass BABYMETALs Yuimetal kürzlich aus "gesundheitlichen Gründen" ausstieg, kommt der Verdacht auf, der mediale Rummel überschatte den eigentlich wesentlichen musikalischen Gehalt. Der tendiert in letzter Konsequenz nicht direkt gegen Null, das muss man nach nun drei Alben anstandslos einräumen.
FAZIT: Hölle und Hello Kitty liegen bei BABYMETAL nach wie vor dicht beieinander - das Projekt lebt von seinen schrillen Gegensätzen und lässt sich weiterhin eher als Zeitgeist-Erscheinung begreifen statt als Band im herkömmlichen Sinn. Das Feuilleton freut sich darüber, alle anderen lesen diesen Text erst gar nicht bis hierher. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/ac94b7d800a142e09ec5bfc5cbf2e3d2" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.10.2019
earMusic / Edel
50:32
11.10.2019