BARO PROG JETS sind bzw. waren das musikalische Betätigungsfeld von Alberto Molesini aus Italien, der kürzlich erst als Bassist bei Marygold in Erscheinung trat, hiermit jedoch seine frühen Gehversuche im Bereich Prog Rock vorstellt.
Bei "Lucillo & Giada" handelt es sich um ein kompaktes Konzeptalbum, das BARO PROG JETS wie ein Bühnenstück in vier Akte unterteilt haben, wobei der vorletzte traditionsgemäß das sogenannte retardierende Moment darstellt. Die insgesamt acht Tracks gehen deshalb nahtlos ineinander über. In der märchenhaften Story verarbeitet der Bandkopf gesellschaftliche und politische Betrachtungen mit autobiografischen Episoden, die ihn zwischen 1977 und 79 beschäftigten. In jener Zeit wurde auch die Musik komponiert, die er heute als leicht unreif bewertet, doch als Außenstehender darf man konstatieren, dass er seine hohen Ambitionen auf sympathische Weise umgesetzt hat - nämlich mit jugendlicher Unbekümmertheit, die dem Ganzen einen etwas ungeschlachten Charme verleiht. Die Giada aus dem Titel sollte übrigens später Baros Ehefrau werden.
'Danza di Eden I' und die beiden darauffolgenden Tracks sind größtenteils akustisch geprägt, weisen aber schon jene halb symphonischen Züge auf, die das Projekt später als Hauptmerkmal auszeichnen sollten. Die Musik strahlt etwas erhaben Pastorales, aber auch eine verschmitzte Neugierde aus. Baro arrangierte den Gesang oft mehrstimmig, lässt Xylophone klingeln und Akkordeons dröhnen, was 'Lamento-Se Vorrai' zu einer sehr konzertanten Angelegenheit macht. Die Figur des Lucillo ist ein mit sich und der Welt unzufriedener Bassist, der sich auf hörenswerte Weise an Yes-Tieftöner Chris Squires Stilvorgaben abarbeitet.
'L'Inganno di Giada-Nel Polo di Eden' veranschlagt elf Minuten für sich und markiert neben dem anderen Longtrack 'I 24 Anziani-Il Libro della Vita' den Höhepunkt des Albums. Singt Baro allein, ist seine Stimme das vielschichtige instrumentale Fundament nicht gewachsen. Da er auf die gesamte Spielzeit des Albums bezogen jedoch relativ selten den Mund aufmacht, hält "Lucillo & Giada" als anschauliches Beispiel für den Rock Progressivo Italiano in seinen goldenen Jahren her - virtuos anspruchsvoll, bombastisch und immer ein wenig kauzig. Anspieltipp zur raschen Einfindung: das kurze Finale 'Se Vorrai' mit Gastsängerin Elena Cipriani.
Das zweite Album von BARO PROG JETS nahm der Bandgründer gleich nach seinem Einstand in Angriff, doch das Ergebnis weist einige Unterschiede gegenüber "Lucillo & Giada" auf. "Topic Wurlenio" klingt zunächst einmal satter, mutet hinsichtlich seiner Atmosphäre futuristischer, ja düsterer an und zeigt einen konzentrierter arbeitenden Musiker, der genauere Vorstellungen davon hat, was er erzielen möchte.
Der E-Bass bleibt ein tragendes Instrument, die Keyboards nehmen einen höheren Stellenwert im Gesamtsound ein, und ein gesteigertes Selbstbewusstsein dürfte dafür gesorgt haben, dass sich der Schöpfer als Sänger mehr traut. Viele der neun Tracks der Scheibe enthalten daher sehr eingängie Refrains, allen voran das nach opulentem Intro eröffnende 'Tracce di un'Avventura', wo Synthesizer und Klampfe gemeinsam fast moderne drückende Power erzeugen. Das etwas melancholische 'Ach the Stomach Contraction' (very Genesis) und 'Mosaico d'Uomo' zum Schluss (Gentle Giants Satzgesang trifft auf Yes mit Trevor Horn) sind diesmal die beiden Longtracks, jedoch in sich runder als die zwei auf der ersten Platte von BARO PROG JETS.
In textlicher Hinsicht ließ sich der Frontmann von Nicola Rotta inspirieren, wobei aber kein weiteres Konzept entstand. In seiner unverbindlichen Anlage ist "Topic Wurlenio" bei gleichbleibendem Anspruch seiner Schöpfer das leichter zugängliche Werk. Baro legte das Material auf den Live-Einsatz an, während die Produktion eindeutig auf die Zeit verweist, in der sie durchgeführt wurde; Speziell Drums und Tasteninstrumente gemahnen an die aufkeimende Wave-Szene, und bei aller Komplexität ist manchen Stücken ein gewisses Pop-Appeal nicht abzusprechen. Was dies betrifft, stand das Projekt den Szenehelden des Landes (Banco) recht nahe, die sich damals ähnlich orientierten.
FAZIT: Alles in allem haben wir es mit einem hörenswerten Zeitzeugnis zu tun, das sich nahtlos in den gesamten RPI-Kanon einreiht und weder seinen Machern noch dem Genre selbst eine Schande tut - Qualität in hohen Dosen. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/35061c572e134455b5f6087ad346f661" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.04.2019
Andromeda Relix / GT Music
44:28 + 52:04
08.03.2019