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Bat For Lashes: Lost Girls

Stil: Indie-, Alternative-, Electronic-Pop

Cover: Bat For Lashes: Lost Girls

THOM YORKE von RADIOHEAD hat sich bereits als Fan von Natasha Khan geoutet und im Jahr 2008 ihr Bandprojekt BAT FOR LASHES ins Vorprogramm ihrer 2008er-RADIOHEAD-Tour eingeladen, dabei sprach der charismatische RADIOHEAD-Sänger von „sexy Gespensterstimmen“ und schon ein Jahr darauf wird Khan, die Tochter einer englischen Mutter und eines pakistanischen Vaters, der noch dazu Trainer der Squash-Nationalmannschaft ist, als „Best British Female“ für die Brit Awards nominiert.

10 Jahre und drei Alben sowie jede Menge BJÖRK-Vergleiche und ein <a href="https://www.youtube.com/watch?v=P9h_aIgDmEs" target="_blank" rel="nofollow">fantastisches Duett mit SCOTT WALKER</a> später erscheint nun also „Lost Girls“, in dem die singende Keyboarderin erneut die von ihr gewohnten und heiß geliebten Sounds aus tiefen Bässen, weltmusikalischen Rhythmen, elektronischen Synthie-Spielereien, ohrwurmverdächtigen Refrains und besagten sexy Geisterstimmen heraufbeschwört. Dazu erzählt sie mit ihrer elfengleichen Stimme romantische Geschichten aus der Vergangenheit, die einem Film ähnlich von den Jugendlichen der 80er (also irgendwie auch von ihr selbst) berichten, als deren größte Leidenschaft noch Liebe, aber nicht Erfolg oder Macht hieß. Frech-fröhlich, doch trotzdem schon mit einem melancholischen Unterton – in dem Sinne wie: „Dieses Gefühl wird nicht ewig anhalten.“
So wird man schonmal vom „Lovely Girl“ zum „Lost Girl“ und weiß gar nicht, wann diese Unbeschwertheit abhanden kam.

Entsprechend ist die Stimmung auf „Lost Girls“, die gleich mit der melancholischen Synthie-Pop-Nummer <a href="https://www.youtube.com/watch?v=qm3Xg289qTM" target="_blank" rel="nofollow">„Kids In The Dark“</a> eröffnet wird – ruhig, besinnlich, etwas traurig, aber auch romantisch und mitunter frisch. Nur die Zeiten der BJÖRK-Vergleiche sind anno 2019 bei BAT FOR LASHES eindeutig vorbei. Viel eher kommen einem die EURYTHMICS, FLORENCE + THE MACHINE oder ENIGMA in den Sinn, wenn man dieses seltsame, nicht sonderlich gut gestaltete Album aus Frauenkopf plus Hand plus weißer Schlange hört. Auch die LP-Rückseite mit der Rückenansicht von sechs kämpferischen Damen, die im Halbdunkel ihre allesamt bearmbandeten und beringten Fäuste gen Himmel strecken, überzeugt nicht. Gleiches gilt dann auch für die Hochglanz-Innenhülle, in der die LP steckt und auf der auch noch in schwer lesbarem Rot die Texte abgedruckt sind. Ganz im Gegensatz zur Musik des Albums wird so dessen Gestaltung zum Ärgernis. Dafür liegt ihm aber zusätzlich noch ein DL-Code bei, was eigentlich aus heutiger Sicht bei jedem Vinyl, das man erwirbt, Standard sein sollte, leider aber noch nicht ist.

Bereits <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=13&v=VrgesVaWIAU" target="_blank" rel="nofollow">„The Hunger“</a> überrascht mit bedrohlichen Orgeln, weltmusikalischen Percussion sowie fetten Bässen und deutet bereits an, dass Frau Khan auch Soul-Rhythmen gegenüber sehr aufgeschlossen ist und ein Faible für PETER GABRIEL zu haben scheint. Eine Stärke, die immer wieder in einigen Songs zum Ausdruck kommt, selbst wenn das Album in seiner Gesamtheit bei den ersten ein, zwei Hördurchgängen nicht zu zünden vermag. Schenkt man ihm aber mehrere Wiederholungen, wird man mit abwechslungsreichen, allerdings doch recht düsteren Melodien belohnt. Und auch das großartige, blutsaugerische Instrumental „Vampyres“ mit seinem hypnotischem Saxophonspiel, welches die LP-B-Seite eröffnet, klingt zwar nicht bissig, aber dafür macht es umso süchtiger, selbst wenn ein KENNY G. dabei durchklingt.
Das wichtigste Merkmal von BAT FOR LASHES bleibt sowieso durchgehend erhalten: der beeindruckende Gesang, der einen von Anfang an in seinen Bann zieht und am Ende mit „Mountains“ einen wunderschön verträumten Schlusspunkt setzt: „Can we make it right? / Like it was at the start / Sing to me in the dark...“

Ganz offensichtlich wird auf „Lost Girls“ den poppigen, ruhigeren 80er-Jahren gehuldigt, die für viele eher belanglos erschienen, andere aber lieben sie gerade darum, weil sie sich so elektronikverliebt und tanzbar erwiesen – ganz ähnlich wie das aktuelle Album von BAT FOR LASHES.

FAZIT: Es ist recht romantisch und ruhig geraten – und entfernt sich offensichtlich von allen bisher oft gezogenen BJÖRK-Vergleichen, die man nur zu gerne bei BAT FOR LASHES vornahm. „Lost Girls“ taucht tief in den düsteren E-Pop der Achtziger ein und verleiht diesem anno 2019 eine wahrhaft angenehme Seite, selbst wenn es im Endeffekt doch etwas hinter den Vorgängeralben von der begnadeten Sängerin Natasha Khan zurückbleibt.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.09.2019

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (18:30):
  2. Kids In The Dark (3:29)
  3. The Hunger (4:59)
  4. Feel For You (3:40)
  5. Desert Man (3:26)
  6. Jasmine (2:56)
  7. <b>Seite B</b> (19:59):
  8. Vampires (3:02)
  9. So Good (3:33)
  10. Safe Tonight (4:17)
  11. Peach Sky (4:35)
  12. Mountains (4:32)

Besetzung

  • Bass

    Charles Scott IV, Uzoechi Emenike

  • Gesang

    Natasha Khan

  • Gitarre

    Charles Scott IV

  • Keys

    Natasha Khan, Charles Scott IV, John Carroll Kirby, Uzoechi Emenike, Jen Decilveo

  • Sonstiges

    Alex White (Saxophone)

Sonstiges

  • Label

    Eigenvertrieb

  • Spieldauer

    38:29

  • Erscheinungsdatum

    06.09.2019

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