Sicherlich ist Airbag-Mitbegründer Bjørn Riis nicht der Erste, der in seiner Musik persönliche Verluste und Beziehungsstress verarbeitet, doch das solistische Schaffen des Norwegers zeichnet sich von jeher ähnlich wie die Alleingänge von Riversides Mariusz Duda durch eine beispiellose Intensität und Intimität aus, die anders als bei den meisten ach so melancholischen Erzeugnissen der zeitgenössischen Progressive-Rock-Szene sehr, sehr glaubwürdig wirkt. Für Riis' neues Album gilt dies einmal mehr.
Gleich vorneweg allerdings sei gesagt: “Lullabies In A Car Crash”, das Debüt des Multi-Instrumentalisten, wird von "A Storm Is Coming" nicht überboten. Die Scheibe brodelt düster vor sich hin und zäht zu Riis' härtesten Werken überhaupt, auch wenn man zu keiner Zeit von Metal sprechen dürfte; dazu webt der Mann einfach zu fragile Klangteppiche, und die aufbrausenden Momente wirken umso eindringlicher. Der angenehme Nebeneffekt besteht zudem darin, dass sich das Material deutlich von Airbag abhebt und die ständigen Pink-Floyd-Vergleiche, die sich Riis und die Band nicht ganz zu Unrecht gefallen lassen müssen, schlicht unzulässig macht.
"A Storm Is Coming" lässt sich als Titel wörtlich nehmen und beginnt in geradezu schmerzhaft angespannter Haltung mit 'When Rain Falls' das gefühlt ewig braucht, bis es endlich aus den Puschen kommt - dann allerdings nachgerade explosionsartig, und im Folgenden wird der Hörer in einen Strudel gerissen, der ihm trotz wiederholter Ruhepole kaum Zeit zum Luftholen lässt.
'Icarus' ist der frühe und einzige ungeschönt positiv anmutende Track des Albums und von allen auch am liedhaftesten im traditionellen Lagerfeuer-Sinn, wohingegen die Viertelstunde 'Stormwatch' am anderen Ende des Spektrums rangiert. Es handelt sich sowohl in Hinblick auf seinen Umfang als auch die kompositorische Stringenz, mit der Bjørn hier ein inneres Drama nach außen kehrt, zweifellos um sein bisheriges Meisterstück als Musiker. Würden das unauffällige 'This House' trotz seines Aufwühlenden Texts und das vergleichsweise schnöde Instrumental 'Epilogue' demgegenüber nicht deutlich weniger hermachen, hätte "A Storm Is Coming" den ersten Platz unter allen bisherigen Releases des Künstlers sicher. So handelt es sich um…
FAZIT: … eine Vertonung großer und gemeinhin unangenehmer Gefühle im Idiom Progressive Rock, durchsetzt mit lichten Augenblicken, wie sie der Mensch in seinem Überlebenstrieb während finsterer Zeiten heraufbeschwört, ob sie gerechtfertigt sind oder nicht … und menschlich, falls sonst nichts, ist "A Storm Is Coming" ungeachtet irgendwelcher theoretischer Betrachtungen unbedingt. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/6c232f8572d54552a0e52a060a68bf57" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.05.2019
Progressive Rock
Karisma
10.05.2019