Komponist Christopher Dell bezeichnet "Das Arbeitende Konzert/ The Working Concert (Revision IV-V)" als "offenes, diskursives Aufführungsformat", wobei offensichtlich zunächst einmal keine Rede von einem Musikgenre sein soll. Tatsächlich handelt es sich um eine Sequenzierung sogenannter Module respektive Bausteine im Sinne von Klangereignissen, die sich von Instrumentalisten in unterschiedlichen Konstellationen realisieren lassen. Dahinter steht die Absicht, Konzertbesucher unmittelbar am Schaffensprozess zu beteiligen - ein Konzept, das wie sich beim Hören dieses CD-Mitschnitts herausstellt, mit dem jeweiligen Medium steht und fällt.
Will heißen: Das in seinem Umfang wie Inhalt erschlagende Doppel-Album funktioniert noch schlechter, als es gemeinhin bei Konzertaufnahmen herkömmlicher Rock- oder Pop-Performer der Fall ist, die eben nur einen ausschnitthaften Eindruck des hautnahen Erlebnisses vermitteln. Dells zwischen Neuer Musik, Jazz und Genre-übergreifendem Free-Form-Stoff angesiedelte Sound-Vignetten direkt in einem entsprechenden Ambiente umgesetzt, miteinander verschränkt und variiert zu sehen UND zu hören ist sicherlich ein spannendes Unterfangen; in "eingefrorener" Form und quasi im Nachhinein konsumiert strengt es eher an.
Und vor allem: "Das Arbeitende Konzert" bleibt merkwürdig aussage- und emotionslos. Generell führt Dell das Material im Sextett mit einem dänischen Bassisten und Saxofonisten aus Frankreich auf. Letzterer (Pierre Borel) hat auch das Modul 'Fond II' geschrieben, wohingegen 'Olekranon' von Cellistin Elisabeth Coudox stammt. Unabhängig davon kann man die Tracks hinsichtlich ihres tonalen und metrischen Gehalts zergliedern bzw. sich die nicht uninteressante Fragen stellen, Wo die Grenze zwischen bloßem Klang und Musik verläuft oder ob und inwiefern dies davon abhängt, ob das Gehörte menschliche Gefühle erzeugt und beeinflusst.
FAZIT: Bei allem Respekt - "Das Arbeitende Konzert" ist zumindest für den Durchschnittsmusikfreund eher ein akustischer Forschungsgegenstand als ein Kunstwerk, das man sich aus dafür naheliegenden Gründen zu Gemüte führt, wobei … Warum hört man letzten Endes überhaupt Musik? <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/507279c9ff6b429dba562fffbe3ed0bb" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.05.2019
Edition Niehler Werft
142:38
17.05.2019