Darf man der Legende Glauben schenken, die auf der Facebook-Seite CYHRAs verbreitet wird, war ein Gespräch Anfang 2016 zwischen Jake E und Jesper Strömblad, die damals jeweils Soloprojekte planten, der Anlass für die Gründung einer neuen Band mit dem Ziel „the next thing in Metal“ zu produzieren. Das Persische Wort „Cyra“ bedeutet soviel wie Sonne, Thron oder HERR und stand Pate für den Namen der Band.
Das Debüt, das 2017 auf den Markt kam, war für mich das Melodic-Metal-Album des Jahres. Selten gibt es Veröffentlichungen mit einer solchen Hitdichte wie „Letters To Myself“ der Ex-Amarathe- (Jake E), Ex-IN FLAMES- (Jesper Strömblad) Ex-SHINING- (Euge Valovirta) Gilde, komplettiert durch Alex Landenburg am Schlagzeug, der zuletzt für KAMELOT die Felle bearbeitete.
Dass „No Halos In Hell“ anders klingen würde als das Debüt, war spätestens nach der Aussage Jake Es klar, als es feststellte, dass das neue Album mehr auf die Livesituation zugeschnitten sein würde, um Längen durch Balldenlastigkeit zu vermeiden. Somit rockt „No Halos In Hell“ gleich vom Start weg etwas kräftiger als der Vorgänger, ohne jedoch den Blick für großartige Melodien aus den Augen zu verlieren.
Vergleiche mit den jeweiligen Ex-Bands gehen, wie schon in Bezug auf „Letters To Myself“ gnadenlos ins Leere, dominieren hier nämlich ausschließlich cleane Gesangshooks, wohingegen AMARATHE und IN FLAMES-Tracks ständig durch Growls aufgebrochen werden. Solcher Guttural-Gesang fehlt bei CYHRA grundsätzlich, so dass sich alle Growl-Hater beruhigt zurücklehnen und durchatmen können. Jake E glänzt wiederum durch Gesangslinien von extremer Tonhöhe, die mittelprächtige Shouter ganz blass werden lassen.
Der Start erinnert mit „Out Of My Life“ direkt an das grandiose Debüt, dezente Strophe und brillanter Chorus inklusive, „No Halos In Hell“ rockt etwas prägnanter, ist wiederum sehr melodisch und somit nichts für Puristen, denen krachende Gitarren zu Double-Bass-Galopp und stereotype Gesanglinien Freude bereiten. Die Vielschichtigkeit der Kompositionen ist bestechend, enthält häufig überraschende Wendungen und ist das Aushängeschild der Band.
Die Single „Battle From Within“, <a href="https://www.youtube.com/watch?v=NPrnuk6hRlc"target="_blank" rel="nofollow">zu der es ein von Jake E gedrehtes Video gibt,</a> thematisiert das immer aktuelle Thema Suizid und gehört nicht zuletzt aufgrund dieses Ansatzes zu den ergreifendsten Tracks des Albums, während „I Am The One“, „Bye Bye Forever“ und „Dreams Gone Wrong“ echte Winner auf Live-Konzerten werden dürften.
Das Feeling für Balladen der Marke „larger than life“ haben die Schweden (sorry, Alex) dennoch nicht verloren. „Lost In Time“ ist eben solcher Stoff, eine Ballade, die perfekt die Fähigkeiten der Band abbildet, deren Gespür für spezielle Harmonien hier ein weiteres Highlight gebiert. Hinzu kommt, dass Jake E abermals demonstriert, welch ein fantastischer Sänger er ist.
Schnellere Titel gibt es in der Folge wieder mit „Kings Tonight“, „I had You Back“ und „Blood Brothers“. Letzterer startet dezent mit Akustik-Klampfen, die durch Metal-Riffs und Bassdrum abgelöst werden, ein extrem hymnischer Chorus veredelt das Ganze. „Hit Me“ bringt dann das bisher härteste Liedgut CYHRAs an den Start, was sich aber nur auf das Intro bezieht, denn im Laufe des Titels werden wieder alle Register des Melodic Metal gezogen, analog verhält es sich mit „Man Of Eternal Rain“.
„Lies“ ist ein weiterer Hit-Aspirant (Anspieltipp), bevor „Lost In Time“ in der bombastischen Full-Band-Version zum akustischen Finale des Longplayers überleitet, der mit „Dreams Gone Wrong“, „Kings Tonight“ und „I Am The One“ ruhige, aber umso packendere Momente besitzt.
FAZIT: CYHRA spielen auf „No Halos In Hell“ wie schon auf dem herausragenden Debüt ihre Fähigkeiten perfekt aus und kreieren ein Album, das meilenweit über dem Durchschnitt anzusiedeln ist. Angetreten unter der Prämisse, „the next thing in Metal“ erschaffen zu wollen, entstehen Klangwelten, die mit den Ex-Bands ihrer Mitglieder nicht einmal mehr ansatzweise in Verbindung stehen und die vollständige Emanzipation von diesen bedeuteten. Melodic Metal at it´s best.
Punkte: 15/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.11.2019
Jake E
Euge Valovirta, Jesper Strömblad
Alex Landenburg
Nuclear Blast Records
72:01
15.11.2019