Als Album ist diese Veröffentlichung eigentlich eine Mogelpackung, denn DANIEL TOMPKINS stellt sieben neuen Kompositionen, die seinem Projekt White Moth Black Butterfly ähneln, sechs alternativen Versionen von drei dieser Nummern gegenüber. Unabhängig davon lebt der Frontmann von TesseracT und Skyharbor auf "Castles" seine Vorliebe für sanfte elektronische Musik und Klangexperimente aus, wobei er einen bedächtigen Gesamteindruck hinterlässt.
Nach ungewohnt verhaltenem Beginn mit 'Saved' platzt erst gegen Ende des zweiten Tracks 'Black The Sun' der Knoten: Fette Power-Chords ertönen, doch die Heaviness währt nicht lange, gleichwohl die Atmosphäre überwiegend düster bleibt. 'Limitless', das später noch einmal in einer von Produzent Dmitry Stepanov umgemodelten Fassung ansteht, weist den Charakter eines futuristischen Soundtracks auf, was hier wie auch in anderen Stücken an gezielt eingesetzten Synth-Einwürfe der harschen Sorte im Kontrast zum glockigen Organ des Hauptdarstellers liegt.
Vor allem die längeren Kompositionen gleichen kleinen Klangreisen und sind natürlich auf die Stimme ausgerichtet. Sie beruhen oft auf repetetiven Klaviermotiven und überlagerten Gesangsspuren wie 'Kiss', dessen fetten Grundbeat sich der Künstler ruhig häufiger hätte bedienen können. Die Reprise dieses Tracks hat TOMPKINS gemeinsam mit Randy Slaugh ausgearbeitet - einem von mehreren Gästen, der auch in einer von drei weiteren Versionen des tieftraurigen Openers 'Saved' zu hören ist; die beiden anderen haben TesseracT-Kollege Acle Kahney und Paul Ortiz (Zeta, Chimpspanner) in fast gänzlich andere, neue Stücke verwandelt, die sich allenthalben noch an den identischen Lyrics erkennen lassen.
DANIEL versteht sich im Rahmen dieses Soloausflugs bis zu einem gewissen Grad als klassischer Songwriter, der mit modernen Mitteln Geschichten erzählt; exemplarisch dafür stehen die Balladen 'Cinders' und 'Telegraph' (Streicher verbreiten hier ein wenig "007"-Flair) sowie das besonders poppige 'Castles', das zwischenmenschliche Beziehungen allgemein zum Gegenstand hat, womit der thematische Rahmen des gesamten Album auf den Punkt gebracht wird.
"Castles" wurde gemeinsam mit dem amerikanischen Musiker und Produzenten Eddie Head (von Haji's Kitchen, falls die noch jemand kennt) produziert sowie rhythmisch minimalistisch in Szene gesetzt; die zischenden Drumcomputer-Becken sind gewöhnungsbedürftig, und überhaupt ist die Scheibe nur bedingt etwas für Fans von DAN TOMPKINS Hauptband, aber das ist im Grunde auch der Sinn eines Nebenprojekts, oder? Etwas mehr Biss hätte der Platte dennoch gutgetan.
FAZIT: Tesseracts Sänger beweist sich mit seinem ersten musikalischen Alleingang als versierter Komponist klanglich breitgefächterter Lieder im herkömmlichen Sinn und eher abstrakter Tracks, die sich durchaus auch als Programmmusik zu Kunstinstallationen und Videos eignen. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/8442b94859b04e14ba069380f395bf95" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.05.2019
KScope / Edel
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31.05.2019