Die erste große Frage bei solch einem Albumtitel ist doch, ob DAS LUMPENPACK diesem (hoffentlich nicht) gerecht wird.
Die Antwort darauf fällt geteilt aus, denn einerseits überzeugen die Texte auf "Eine herbe Enttäuschung" mit all ihren ironischen Seitenhieben durchaus, aber andererseits ist die extrem deutliche Hinwendung der Musik zu DIE ÄRZTE bzw. FARIN URLAUB nicht gerade eine Ausgeburt von Kreativität. Nur wer DIE ÄRZTE mag und immer wieder etwas hören will, das auch nach ihnen klingt und durchaus auch das Niveau der Anfang-80er-NDW-Ikonen zu erreichen versucht (Gelingt aber nicht!), der sollte nicht „Zu spät“ kommen und wird „Eine herbe Enttäuschung“ von DAS LUMPENPACK so lange hören, bis DIE ÄRZTE kommen.
Ähnlich wie ihre Vorbilder kombiniert das deutsche Duo NDW-Pop und deutsche Texte, die aber nie echte Ärzte-Bissigkeit erreichen. 2012 fanden sich die Beiden unter der Vorgabe, lustige Gitarrenmusik machen zu wollen, in einem dänischen Ferienhaus zusammen. Schnell wird daraus mehr und schon ein Jahr später die „Steil-Geh-LP“, dann „Steil II“ und die erste professionelle Studio-Produktion „Die Zukunft wird groß“, die den beiden frechen Wort- und Musik-Künstlern ausverkaufte Konzerte und jede Menge Follower in der an Verblödung nicht minderen Netzwelt einbringt.
Bei so viel Erfolg muss das nächste Album doch „Eine herbe Enttäuschung“ heißen. Logisch! Zumindest aus dem ironischen Blickwinkel der beiden singenden Gitarristen bzw. Trompeter und Flügelhornspieler Max Kennel und Jonas Meyer. Und dass die Beiden es musikalisch wie reimtechnisch größtenteils draufhaben, beweisen sie nun auch auf ihrem zweiten professionellen Studio-Album, zu dem sie sich noch dazu jede Menge musikalische Gäste mit einluden und wir so neben Flügelhörnern und Trompeten auch vielfältige andere Streich- und Blasinstrumente zu hören bekommen.
Hauptbestandteil sind bei DAS LUMPENPACK aber nach wie vor die deutschen Texte, die den Hörer immer wieder zum Schmunzeln und sich „An-die-eigene-Nase-fassen“ einladen und die stark FARIN URLAUB-orientierten und ähnlich vorgetragenen Kompositionen. Aber auch vor politischen oder deutlich kritischen Botschaften, die sich fast immer gegen Rechts wenden (am intensivsten im „Ironische[n] Lovesong“), aber auch Religionen und Klimapolitik anschneiden, schrecken sie nicht zurück. Aber, auch in der Beziehung ist das für alle ÄRZTE-Freunde natürlich nichts Neues – für DAS LUMPENPACK in dieser Deutlichkeit stellenweise schon, die gleich im Album-Opener <a href="https://www.youtube.com/watch?v=VKZsmZeoE5k" target="_blank" rel="nofollow">„Hauch mich mal an“</a> zum Ausdruck kommt. Im Liedermacher-Stil mit zwei akustischen Gitarren beginnt der Song und weitet sich dann mit Posaunen und viel TamTam zu einer richtigen Losgeh-Pop-Nummer aus.
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=uDeax9mOgw4" target="_blank" rel="nofollow">„Kurze Hosen“</a> oder <a href="https://www.youtube.com/watch?v=ZHuxI4fWIhE" target="_blank" rel="nofollow">„Pädagogen“</a>, ein Song, der mal wieder so etwa jedes blöde Klischee zu der Berufsgruppe bedient, dagegen klingen, als hätte die Nummer FARIN URLAUB für sie geschrieben und gleich mit eingesungen. Hier kommt nicht nur der Vorbild-Charakter durch, sonder sogar ein deutlicher Hang zum Kopieren. Denn eins ist klar, DAS LUMPENPACK ist eben ein Lumpenpack und keine Ärzte. Deren Schuhgröße sind noch immer deutlich zu groß und so fallen dann <a href="https://www.youtube.com/watch?v=PCuIlcYToNU" target="_blank" rel="nofollow">„Ford Fiesta“</a> oder <a href="https://www.youtube.com/watch?v=gUF1H34zf4g" target="_blank" rel="nofollow">„Mein Hass“</a> auch im Vergleich zu den großen Vorbildern ziemlich flachbrüstig aus.
Am Ende erfahren wir noch, worin die wahre <a href="https://www.youtube.com/watch?v=wXF-0_YadL8" target="_blank" rel="nofollow">„Tragödie vom Rest der Band“</a> liegt und das war‘s für ein Album, das den Titel „Eine herbe Enttäuschung“ trägt, aber nicht zu einer wird. Pure Begeisterung aber vermag es auch nicht auszulösen.
FAZIT: Wenn DAS LUMPENPACK musikalisch mit seinen ironischen Texten und flotten Pop-Klängen loslegt, glaubt man immer ein wenig in die frühen 80er-Jahre frontal Richtung DIE ÄRZTE zurückversetzt zu werden. Mit dem Titel „Eine herbe Enttäuschung“ beweisen die beiden Jungs jedenfalls jede Menge Sinn für Humor, selbst wenn sie den Titel manchmal leider auch bestätigen.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.08.2019
Max Kennel, Jonas Meyer
Max Kennel
Jonas Meyer (Flügelhorn, Trompete)
Roof Music
45:08
09.08.2019