Sie gehen auf die 15 zu und klingen auch tatsächlich (immer noch) pubertär, im Guten wie im Schlechten: DECIBELLES haben ihr drittes Album bei Alternative-Altmeister Steve Albini (Shellac u.v.m.) in Chicago aufgenommen und verbinden ihren seit je regelrecht mustergültig amerikanischen Indie-Stoff entschiedener denn je mit jener Exzentrik, die man vielen französischen Gitarrenbands zu Recht nachsagt.
„Rock Français“ wirkt nicht nur wegen seines Titels wie ein diesbezügliches Statement; die von den beiden Frontfrauen Sabrina Duval und Fanny Bouland geschriebenen Songs (hinter den Kesseln sitzt in Gestalt von Guillaume Carle ein Mann) bleiben der Riot Grrrl-Bewegung der frühen 90er (L7, Hole, Babes In Toyland) verhaftet, lärmen aber noch einen Tick krasser vor sich hin als alles, was das Trio bisher zustande gebracht hat.
Aus dem wüsten Gepolter, das zunächst über weite Strecken ungenießbar erscheint, tun sich nach und nach mehrere ungeschliffene melodische Perlen hervor, deren textliche Intention (‚J‘aime Trop Mon Clito‘) übers musikalische Esprit hinaus keine Fragen offenlässt. Wo es besonders harsch zugeht (oft sind sowohl Bass als auch Gitarre brutal verzerrt), erweisen sich die Lyoner als rhythmische Quertreiber mit einer Affinität zum Noise Pop von Dinosaur Jr., die speziell ‚Dérailler‘ und ‚Manger Son Ex‘ auf den Punkt bringen – hübsch-hässliche Musik zum juvenilen Entgleisen und Fressen des vermeintlich starken Geschlechtes.
FAZIT: DECIBELLES könnten auf ihrem neuen Album kaum typischer französisch klingen, während sie den größtenteils in Nordamerika zu findenden Anfängen der Indie-Rock-Szene und Emanzipierung des Femininen in der Musikbranche huldigen. „Rock Français“ repräsentiert demzufolge sowohl kulturelle Authentizität als auch soziales Engagement zum Eigennutzen, wobei den Songs an sich nicht immer das Hauptaugenmerk zu gelten scheint. Beim nächsten Mal vielleicht mehr aufs Wesentliche konzentrieren, Mädels. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/fb397d2c7d1c4296b692fe3f064f2233" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.08.2019
Deaf Rock
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09.08.2019