Der Franzose Edward Perraud, womöglich bekannt durch Das Kapital, tritt auf "Espaces" (vielsagender Titel, aber dazu im Folgenden mehr …) erstmals in seinem eigenen Trio in Erscheinung. Gemeinsam mit Pianist Paul Lay und Bassist Bruno Chevillon entwirft der Drummer eine recht eigene Handschrift im Combo-Jazz-Kontext, denn im Lauf der Spielzeit des einstündigen Albums wechseln sich lichte Momente mit fülligen Klangflächen ab, wobei erstere wohl die "Räume" darstellen, auf die der studierte Komponist mit der Benennung anspielt.
Es stimmt, auf "Espaces" wird dem, was die Protagonisten eben nicht spielen, ein mindestens ebenso hoher Stellenwert beigemessen wie den wirklich erklingenden Tönen. Verhältnismäßig konventionell fällt in diesem Zusammenhang neben der Ballade 'Collapse', zu der man im Kopf einen jungen Sinatra croonen hört, die tänzerische Eröffnung 'Élévation' mit funky Kontrabass aus; das Stück wirkt in nicht einmal dreieinhalb Minuten geradezu Radio-kompatibel, genauso wie später das noch kürzere 'Sixième Sens' und das wiederum etwas längere 'Laps', einem virtuosen Gesellenstück des Pianisten.
Das ebenfalls getragene, aber mit fast rockig wuchtigem Schlagzeugspiel glänzende 'Tone It Down' bildet einen atmosphärischen Kontrapunkt zu diesen Nummern, nicht zu vergessen das regelrecht düstere 'Melancholia' und dann die in punkto Arrangement reduzierten Offerten - allen voran das verschmitzt minimalistische 'Space Time', dem im Folgenden auch 'Just One Dollar' wenigstens zu Beginn entspricht, ehe es sich als abstrakte Klavier-Akkordstudie zu erkennen gibt.
Das ergibt umso mehr Sinn, wenn man weiß, worauf es Perrauf beim Schreiben der Stücke absah. Der Fokus auf "Espaces" liegt nämlich bei den Intervallen, ihrer individuellen Klangfarbe und musikalischen wie emotionalen Qualität. Nicht zuletzt dies macht das Album zu einem stimmungsmäßig überaus abwechslungsreichen im traditionellen Jazz, wo es am Ende des Tages trotz allem zu verorten ist.
Zum Schluss dient das melodisch wie rhythmisch statische 'Hiatus' als retardierendes Moment vor 'Singularity', das als in seiner Gespanntheit ambilvalente Reprise des gleichsam mit acro gestrichenen Viersaiter auftrumpfenden 'Tocsin' durchgeht.
FAZIT: Trio-Jazz der klassischen Sorte mit einem konzeptionellen Teufel im Detail, dargeboten von abgefeimten, aber dennoch weiterhin abenteuerlustigen Musikern. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/5a7bd8b9759644b6a8761f24bbb20aed" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.07.2019
Bleu / Broken Silence
64:57
19.07.2019