Na, dann – begeben wir uns doch mal wieder mit den Bewahrern musikalischer Goldstücke der Vergangenheit, die sich als Bear Family Productions und Cree Records nicht die obligatorischen Fettnäpfchen, sondern wahre Honigtöpfchen aussuchen, auf erneute Entdeckungsreise. Eine Reise, die uns weit in Richtung Jamaika führt – einen Inselstaat, den jeder Musikliebhaber sofort mit der dem Reggae, der längst die Welt eroberte, und natürlich dem legendären BOB MARLEY in Verbindung bringt. Und da Mr. Marley natürlich keine Entdeckung mehr, sondern vielmehr eine Legende ist, begeben wir uns nun auf die Pfade eines anderen großartigen jamaikanischen Reggae-Musikers: GEORGE FAITH, dem die Presse bereits bescheinigte, dass er „Reggae voller Seele und schwarzem Groove“ spielt. Einem Marley absolut ebenbürtig. Und nach dem Hören von „To Be A Lover“ wird der Freund guter Reggae-Musik dies garantiert mit einem Kopfnicken bestätigen, nachdem der ganze Körper zuvor schwungvoll die knappe Dreiviertelstunde von „To Be A Lover“ genossen hat.
Der 2003 im Alter von 57 Jahren an Krebs verstorbene Faith war als jamaikanischer Reggae-Sänger besonders für seine Arbeit mit dem Produzenten-Team LEE „Scratch“ PERRY und BUNNY LEE in den 70er-Jahren bekannt. Sein unglaubliches Gesangstalent wurde zuerst in dem Schulchor, in dem er sang, entdeckt. Allerdings dauerte es noch bis Mitte der Siebzigerjahre, dass LEE PERRY, der bereits BOB MARLEYs Musik produziert und arrangiert hatte, auf ihn aufmerksam wurde. In Perrys legendären Black Ark Studios wurde dann 1977 „To Be A Lover“ – benannt nach der Coverversion von WILLIAM BELLS, einem amerikanischen Soulsänger – mit GEORGE FAITH aufgenommen, das bis heute als Perrys beste Produktion gilt, was sich auf dieser LP-Ausgabe unschwer überhören lässt.
Noch dazu umweht die Platte, die anfangs den Titel „Super Eight“ trug, ein mystischer, geheimnisvoller und wortwörtlich irrsinniger Hauch der Vergangenheit, wenn man weiß, dass Perry sein Black Ark Studio wie eine Art Heiligen Gral anbetete und während der Produktionen mit seinem exzentrischen und abergläubischen Verhalten einen in den Wahnsinn treiben konnte, indem er die Aufnahmegeräte mit seltsamen Ausrufen segnete, die Bänder während der Aufnahmen mit Cannabis-Rauch anblies und mit Flüssigkeiten, wie Urin, Blut, Whiskey usw., besprühte und sich mit Kerzen und Räucherstäbchen umgab, um einzigartige Klänge zu erzeugen.
Bei GEORGE FAITHs „To Be A Lover“, einem wirklich einzigartigen Reggae-Album, haben diese Rituale jedenfalls gewirkt, genauso wie bei THE CLASH und PAUL McCARTNEY‘S WINGS, die ebenfalls während dieser Zeit mit Perry in seinem Black Ark Studio zusammenarbeiteten!
Anfang der 80er-Jahre brannte das Studio dann komplett nieder und Perry behauptete, er hätte es nach einem Wutanfall selbst wegen „nicht mehr guter Energien“ in Brand gesetzt. Doch hierum ranken sich jede Menge verwirrende Legenden, die nie eine wirkliche Aufklärung fanden.
„To Be A Lover“ dagegen ist eindeutig ein Album geworden, welches sich mit den Klassikern von BOB MARLEY vergleichen lässt und dabei nicht schlechter abschneidet, was auch daran liegt, dass Faith auf dem Album mit den besten jamaikanischen Session-Musikern SLY DUNBAR, ERNEST RANGLIN und BORIS GARDINER spielt. Ein spezielles Markenzeichen ist dabei der besonders gefühlvolle Gesang und die sehr einfallsreichen Bearbeitungen der Songs, die gecovert werden.
Auch dass aus EARL GEORGE LAWRENCE während der etwa acht Monate andauernden Aufnahmen für das Album GEORGE FAITH wurde, hatte der Musiker „Scratch“ Perry zu verdanken: „Scratch erzählte Earl, dass er sehr viel Glauben besäße und diesen auch ausstrahlen würde und sich deshalb ‚Faith‘ nennen solle. Und da der Glaube angeblich auch Berge versetzen könne, entschied sich Mr. Lawrence dafür, Mr. Faith zu werden.“
Das Album wurde ein echter Hit und sorgte sogar in England für viel Aufsehen, da es klassische Reggae-Strukturen mit modernen Rhythmen, eingängigen Soul und sogar psychedelischen Spielereien verband. Selbst die damals breit ausgeprägte Punk-Bewegung wurde darauf aufmerksam.
Die aktuelle Neuauflage von „To Be A Lover“ wurde neue gemastert und mit einem Gatefoldcover versehen, in dessen Inneren man jede Menge Informationen zur vollständigen Entstehungsgeschichte des Albums (verfasst von Steve Barrow und Noel Hawks) und bis dato unveröffentlichte Fotos (von Adrian Boot) findet und mit den Worten endet: „Jetzt ist es an der Zeit, ‚Scratch‘ auf dem Höhepunkt seiner Fähigkeiten und den tiefsinnigen, emotionalen Soul von GEORGE FAITH auf diesem wichtigen Album zu entdecken.“
FAZIT: Eine weitere spannende Veröffentlichung als hervorragend klingende Neuauflage aus dem Cree-Katalog. GEORGE FAITH mit dem seelenvollen, durch LEE ‚Scratch‘ PERRY arrangierten und produzierten „To Be A Lover“ aus dem Jahr 1977. Wer BOB MARLEY liebt, der wird auch diese von den Original-Bändern hochwertig remasterte LP voller leidenschaftlicher Reggae-Coverversion größtenteils bekannter Soul-Hits in sein Herz schließen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.03.2019
Boris Gardiner
George Faith
Ernest Ranglin, Earl ‚Chinna‘ Smith
Winston ‚Brubeck‘ Wright, Keith Sterling
Lowel ‚Sly‘ Dunbar, Michael Richards, Lee ‚Scratch‘ Perry, Noel ‚Scully‘ Simms
The Meditations (Backing Vocals), Felix Bennett, Glen DaCosta (Saxofone), David Madden (Trompete)
Cree Records/Bear Family Records
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22.02.2019