Es ist ein gehöriger Wandel, den da GERD WEYHING, nachdem er bisher musikalisch atmosphärischen Gitarrenklängen im Frippertronic-Stil, die er als „Ambient Progressive Soundscapes“ beschreibt, ein klangvolles Bild verlieh, auf seinem aktuellen Album <a href="https://gerdski.bandcamp.com/album/subterramachinea" target="_blank" rel="nofollow">„SubTerraMachIneA“</a> vollzieht.
Jetzt also sind neben den elektrischen und akustischen Gitarren auch Bass, elektronische Keyboards und Klangerzeuger, Piano und Schlagzeug sowie seit kurzem erst die 12saitige Tapping-Gitarre, die einer Chapman-Stick sehr ähnelt, bei dem nunmehr Multiinstrumentalisten Weyhing vertreten, der noch dazu von den gestalterischen Musik-Ideen auf seinem aktuellen Werk recht deutlich in die frühen Fußstapfen der Marke „Hergest Ridge“ eines MIKE OLDFIELD zu treten versucht. Aber auch „Amarok“ scheint ein „Gerdski“-Album-Favorit zu sein.
Empfanden viele die Musik, wie Weyhing es selber bemerkt, bisher als entspannend, so hat er ab sofort das „ent“ gestrichen und baut auf eine sich postrockig steigernde Dynamik, in die er sogar in seinen drei Longtracks mit Hilfe des Schlagzeugs Bolero-Rhythmen einbaut und natürlich unüberhörbare Bezüge zu seinem großen Vorbild MIKE OLDFIELD herstellt.
Da auch im Weyhing- wie Oldfield-Horizont Musik nicht nur der Musik wegen, sondern auch eines Themas wegen entsteht – und die Entstehungszeit für die drei epischen Stücke erstreckten sich vom 16. November 2013 bis zum 7. Dezember 2018 immerhin über fünf Jahre hinweg, wobei auch der Aufnahme-Ort nicht nur Weyhings zu Hause, sondern auch der Wald war – erzählt jeder Titel seine eigene Geschichte, die, vorausgesetzt man kennt sie, sich tatsächlich auch beim Hören des Albums erschließt.
Der halbstündige Album-Opener <a href="https://www.youtube.com/watch?v=2HT4OLZZ5LY&t=0s&list=PLL2fMeQ3FG2uneEgkfsaYObWLh8Gi6m10&index=2" target="_blank" rel="nofollow">„The Tree“</a> ist eine traurige Mensch-gegen-Natur-Geschichte, die noch dazu leider wahr ist. Es geht um eine über 300 Jahre alte Rieseneiche, die im Jahr 1994 von jemandem bewusst so verschnitten wurde, dass dabei die Hälfte der Wasseradern beschädigt wurden und der stattliche Baum so langsam in sich vertrocknete, bis er im Jahr 2011 endgültig tot war. Die Überreste der Eiche kann man noch immer sehen und es kam nie heraus, welcher Natur-“Terrorist“ für diese Schandtat verantwortlich war. Hört man „The Tree“, so scheint Gerd Weyhing aus der Perspektive des Baums, bis zu seinem letzten Überlebenskampf, der sich langsam, aber immer schneller dahinschleppt, vertont zu haben. Fast minimalistisch geht er dabei vor, indem er eine Klangschicht auf die nächste setzt, so als würde er die letzten traurigen Jahresringe der Eiche tonal versinnbildlichen.
In <a href="https://www.youtube.com/watch?v=YMiN_B4QXrM&list=PLL2fMeQ3FG2uneEgkfsaYObWLh8Gi6m10&index=2" target="_blank" rel="nofollow">„Clockwork For Uncertain Times“</a> dreht es sich um unsere Abhängigkeit von Zeitzwängen, die wie ein Uhrwerk auf uns „einticken“, was natürlich auch in der Musik zu hören ist. Wir machen unser Leben davon abhängig oder viel mehr das, was wir für unser Leben halten – und die Uhr tickt weiter und weiter und weiter...
Beim letzten, mit gut 12 Minuten zugleich kürzesten Stück kommen dann endlich auch alle FRIPP-Freunde auf ihre Kosten. <a href="https://www.youtube.com/watch?v=fH0LsctNhiY&list=PLL2fMeQ3FG2uneEgkfsaYObWLh8Gi6m10&index=3" target="_blank" rel="nofollow">„Silence And Ecstasy“</a> versucht eine 30minutige Mountainbike-Fahrt zuerst als stetig ansteigenden Weg hin zur Bergspitze und dann die flotte Abfahrt bergab, die jede Menge unerwartete Kurven offenbart, musikalisch wiederzugeben.
Das stärkste Stück des Albums, das die geschilderte Situation kongenial umzusetzen versteht. Und manchmal hält auch ein FRIPP den Lenker fest in den Händen.
Leider sind innerhalb der Aufnahmen recht deutlich soundtechnische Unterschiede, bei denen besonders das letzte Stück am besten klingt und gute Standards erfüllt, zu erkennen. Auch tauchen hier wieder „FRIPPertronische“ Gitarren-Klänge auf, die besonders durch die Steigerung ihrer Dynamik begeistern.
„The Tree“ dagegen fehlen etwas die Bässe und die Höhen, auch der Stereo-Klang überzeugt nicht wirklich. Wahrscheinlich sind Sequenzen der Aufnahmen tatsächlich im Wald entstanden.
Insgesamt aber spürt man auf „SubTerraMachIneA“, dass sich der „musikalische Einzelkämpfer“ Weyhing viel Zeit für das Album genommen hat, das ähnlich wachsen musste, wie der vertonte Baum seinem Sterben entgegenging.
FAZIT: Mit „SubTerraMachIneA“ überrascht der Multiinstrumentalist GERD WEYHING, indem er neben seinen von FRIPP geprägten „Ambient Progressive Soundscapes“ neue Wege deutlich in Richtung „Hergest Ridge“-Oldfield beschreitet. Musikalisch gelungen, auch wenn an der Soundtechnik gerade des ersten halbstündigen Longtracks noch etwas gefeilt werden könnte.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.01.2019
Gerd Weyhing
Gerd Weyhing
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Eigenvertrieb
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07.12.2018