Als Earache seinerzeit Rival Sons unter Vertrag nahmen, konnte niemand absehen, dass die überraschende Programm-Ausweitung der eingefleischten Extremkostlieferanten fette Früchte tragen würde, doch in Anbetracht des Erfolgs von u.a. Temperance Movement oder Blackberry Smoke steht längst außer Frage, dass die Briten bei solchen Signings mit lieblosem Kalkül vorgingen.
Auch GOODBYE JUNE aus Tennessee, dem vielleicht musikalischsten Bundesstaat der USA, bereiten Vintage-Klänge, die dazugehörenden Songwriting-Tugenden und Topoi für die Gegenwart auf. Das Vettern-Trio schlägt eine logische Brücke von den klassischen Vorlagen seiner alten Landsleute Grand Funk Railroad und Co. zurück in noch länger vergangene Zeiten - die Tage umherziehenden Blues-Einzelgänger und kleiner Kirchengemeinden von überwiegend afroamerikanischen Christen.
Allein der Umstand, dass sich die drei Cousins in erster Linie zusammentaten, um ihrem verstorbenen, ebenfalls verwandten Gitarristen Tribut zu zollen, garantierte schon zur Veröffentlichung ihres Debüts vor zwei Jahren betont emotionale Songs, und "Community Inn" mutet jetzt sogar noch rührseliger an. Die Scheibe ist trotz ihres unleugbaren Southern-Rock-Einschlags insgesamt ruhiger als ihr Vorgänger ausgefallen.
Einflüsse der übermächtigen Led Zeppelin oder Rolling Stones zu nennen ist in diesem Zusammenhang reine Makulatur, obwohl GOODBYE JUNE eben zahmer aufgestellt sind. Nach dem kraftvollen Opener 'Rolling Off My Tongue' folgen mehrere ausgesprochen poppige Tracks mit simplen Strukturen, in denen dieses Robert-Plant-Näseln ('Universal Mega Love') und jenes Mick-Jagger-Greinen ('Natural') sicherlich gutgemeint sind, aber wie bloße Lippenbekenntnisse wirken. In Hinblick auf die wahnsinnig gute Liedschreibe der Gruppe ist das aber absolut kein Beinbruch.
Der zweite Longplayer der Amerikaner strotzt schlichtweg vor gewaltigen Hooks, und auch wenn der schwüle Latin Soul 'Switchblade Heart' oder ein, zwei Radio-Allgemeinplätze wie 'Anywhere The Wind Blows' wohl der Abwechslung dienen sollen, bilden ausgerechnet sie die Schwachpunkte des Albums. Zwei tolle Drittel sind aber eine beachtenswerte Ausbeute.
Ob sich der Major Interscope, der 2017 ihren Einstand "Magic Valley" herausbrachte, vielleicht doch zu früh von GOODBYE JUNE losgesagt hat? Mag sein, dass mancher Häme über der Band ausschütten wird, so wie es kürzlich den vergleichbaren Greta Van Fleet geschah, doch einschlagen wird die Scheibe bestimmt, falls die neuen Geschäftspartner der Musiker nicht komplett beim Promoten versagen.
FAZIT: Blitzsauberer Classic Rock, der sich an die entsprechende Zielgruppe gerichtet wie von selbst verkaufen dürfte - GOODBYE JUNE sind sonnig freundliche, zartfühlende Gemüter und machen daraus keinen Hehl, weshalb "Community Inn" praktisch seinem Titel gemäß als brave Retro-Party für die breite Masse durchgeht … mit allem Für (starke Kompositionen, Arrangements, Performance) und Wider (weitgehend fehlenden Ecken und Kanten). <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/1a06e63e82d54fe6b14a3b44563bb3c8" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.10.2019
Earache / WMG
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25.10.2019