Wer hat an der Uhr gedreht? Paulchen Panther verdächtigt die Dortmunder GRABUNHOLD einer Rückwärtsrolle um ein grobes Vierteljahrhundert, und seine Vermutung dürfte einstigen Lesern des ebenfalls dort erstellten Soluzen-Fanzines nicht nur nachvollziehbar erscheinen, sondern sogar nostalgische Erinnerungen wecken. Die Horde frönt auf ihrer Debüt-EP "Unter dem Banner der Toten" jenem keineswegs experimentellen Black Metal der zweiten Welle, der sich Melodien zwar nicht verweigert, doch meistens eher nach grimmiger Hatz durch Orkstollen klingt.
Als Menschenkind jener Tage, in denen die Vorstellungskraft noch durch Bücher und Hörspiele bereichert, nicht jedoch durch Verfilmungen und dem damit unvermeidlich einhergehenden Konsum-Kitsch vernebelt wurde, reibe ich mir beim Anblick der EP gierig die Hände, denn die Gestaltung erinnert stilsicher an das prächtige "Orkblut" Minialbum von Abigor, die anno dazumal ihre Nasen offenbar in jene Bildbände steckten, in denen sich auch der Verfasser dieser Zeilen vertiefte. Deren von Tolkien inspirierter Black Metal stellte ehedem etwas atemberaubend Unerhörtes dar, dieser verwegene Geist geht GRABUNHOLD heuer allerdings weitgehend ab. Die Westfalen beleben zwar stilistisch und inhaltlich die Tradition, setzen jedoch keine neuen Akzente, sondern halten sich an bekannte Formeln innerhalb enger Grenzen. Das Riffing im Opener "Gespenster" hat eine teutonische Schlagseite im Stile der frühen Desaster, der kehlige Gesang passt atmosphärisch zum Titel, Schlagzeuger Nachtmahr sorgt für ordentlich Druck, der melancholische Ausklang zeugt vom Willen der Band, nicht ausschließlich drauflos zu poltern. Im folgenden "Hexentanz" gelingt ihr gerade das ziemlich gut, die Tempoverschleppung und der Sprechgesang fügen sich unkompliziert ein, im angesichts des Songtitels naheliegenden Vergleich mit den Landsleuten Danos scharmützeln GRABUNHOLD mit stumpfer Bewaffnung als knappe Zweite über die Ziellinie. Das kurze Instrumental "Von gefallenen Helden und vergessenen Gruften" deutet als Zwischenspiel vage an, dass zukünftige Ausflüge ins Auenland nicht ausschließlich schwarz-metallischen Breitseite beinhalten könnten. Das finale Stück "Grabunholde" lässt noch mal gehörig den groben Knüppel kreisen, ein wenig Epik inklusive, jedoch ohne Überraschungen.
FAZIT: Logische Konsequenz war noch nie die große Stärke des Black Metal, und so mutet es anno 2019 fast putzig an, wenn GRABUNHOLD in Interviews beharrlich betonen, wie egal ihnen Konzerte sind und wie stark sie sich für vermeintlich verlorene Black-Metal-Werte einsetzen, während sie ihre Auftritte im scheinbar unvermeidlichen Fratzenbuch ankündigen. Dazu passt der rumpelig-krachige Neunziger-Sound wie die Trollfaust auf die Hobbitnase, und überhaupt wohnt der engagiert gezockten Mucke der Gorgoroth-Poster-Partner aus dem Nachzehrer-Fanzine ein Charme inne, der eine Veröffentlichung auf Vinyl rechtfertigt, gleichwohl sich Zauber und Radikalität von z.B. "Weltengänger" oder die stürmische Intensität von "Unter dem Banner der Nordwinde" in ganz anderen Dimensionen abspielen.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.11.2019
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20.09.2019