Zwei Jahre nach dem Synthesizer-schwangeren Album "Kid We Own The Summer" möchte Renaud Brustlein alias H-BURNS daran erinnern, worum es im Pop und Rock eigentlich geht - Songwriting nach klassischen Mustern, die sich im Grunde genommen seit der Entstehungszeit ältester Volksweisen nicht geändert haben. Demzufolge hat der Barde sein neues Werk mit möglichst wenig akustischem Ballast in Szene gesetzt. Diese direkte Herangehensweise führte ihn wie angesichts seiner Wurzeln zu erwarten in die 1990er zurück, denn "Midlife" schmeckt recht streng, aber angenehm nach launigem, nicht allzu lautem College Rock, Slackern wie dem jungen Beck, den "blauen" Weezer oder Eels.
Auch der Titel bezieht sich vielleicht nicht ganz unbeabsichtigt auf sogenannte Mittlebenskrisen, wie sie schon ein Jeff Tweady künstlerisch verarbeitet hat, und ebendies tut auch H-BURNS derzeit - oder er schaut zumindest mit lachendem und weinendem Auge zurück auf im Lauf der Jahre Erfahrenes, wobei die Songs mal einen verträumten, mal einen finsteren Charakter annehmen. Dabei bleiben sie allerdings so anschaulich wie Tracks eines Film-Scores, bloß dass sich der Künstler eben strikt an eingeschleifte Liedmuster hält - gleichwohl ohne plump nach Schema F vorzugehen.
Berechenbarkeit kann man ihm in Bezug auf "Midlife" definitiv nicht vorwerfen. Während sein langjähriger Mischer Noah Georgeson (u.a. auch The Strokes) für den nunmehr vertrauten H-BURNS-Sound sorgte, konnte sich Brustlein aufs Destillieren zwingender melodischer Ideen sowie Texte konzentrieren, die zu den pfiffigsten und ambivalentesten seiner bisherigen Laufbahn zählen. Um dies zu erkennen, braucht man nicht bis zum spukhaften Final-Duett 'Sister' mit Kate Stables zu warten, doch es ist zweifellos der eindrücklichste Beleg für ein neues, höheres Maß an Intensität.
Dazu swingt Tindersticks-Schlagzeuger Earl Harvin wieder einmal umwerfend gut - insbesondere in 'Crazy Ones', einer Hommage an die Sonderlinge unter uns, wozu im Übrigen ein schriller Videoclip mit Hillbilly-Ambiente existiert. Es dürfte die Vorzeige-Nummer dafür sein, was H-BURNS in den vergangenen zwei Jahren so getrieben hat.
FAZIT: Gediegener Indie Rock mit Anti-Folk-Note und dabei so unschuldig, wie er seit den Anfängen der Omaha-Szene eigentlich gar nicht mehr gespielt wird. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/06d7de13d98344889788dd44e1e02e2c" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 31.03.2019
Because / Alive
39:22
08.03.2019