Mitte 2019 veröffentlicht der Niederländer Han Uil zufälligerweise einen Langspieler, der wie eine stilistische und atmosphärische Ergänzung des zeitgleich erscheinenden neuen Werks von Nad Sylvan anmutet. Es ist das vierte Soloalbum des ehemaligen Antares- und derzeitigen TumbleTown-Mitglieds nach "Alone", "Dark In Light" und "Han - Lawless Local Heroes", doch wohingegen er sich auf den Vorgänger schwerpunktmäßig in unterschiedlichen Genres (zuletzt nordamerikanischem Folk und Country) austobte, folgt "Esoteric Euphony" einer Linie, die jener des besagten Peter-Gabriel-Wiedergängers ähnelt und auch nicht weit am Sound seiner Hauptband vorbeiläuft.
Kurzum, die Platte bietet häufig theatralischen, unterschwellig bombastischen Prog Rock der klassischen Sorte mit - wie sollte es anders sein? - starkem Fokus auf Uils Stimme. Der Multi-Instrumentalist beeindruckt aber auch als findiger Arrangeur teils orchestraler Kompositionen, für deren Umsetzung er lediglich Bassist Peter H. Boer (Illumion) und Drummer Maurizio Antonini zur Hilfe befohlen hat. Unterstützt wird er darüber hinaus von den Sängerinnen Esther Ladiges, Caroline Joy und Kate Mitchell, die schon im torkelnden Einstieg 'Devil's Night' Sopranparts beisteuern.
Dass der Opener Jahrmarktsmusik anklingen lässt, nimmt die weitere Stoßrichtung vorweg, die Uil verfolgt. Sein teils symphonischer Art Rock strahlt gespreizten Glamour aus und verbreitet auf schizophrene Weise eine subtil finstere Stimmung, auch weil er die Gitarren und Drums mitunter laut krachen lässt. Dabei kommt er den Alleingängen aller drei (!) Genesis-Frontmänner etwa mit dem kompakt eingängigen 'The Next Door Bully' sehr nahe, auch wenn er sich seine Identität bewahrt.
'Runaway' vermählt daraufhin pastorale Akustikklänge mit Pink-Floyd-verdächtigen Gitarren-Leads zu einem Mini-Epos, wie es Uil auch mit dem abschließenden 'A Great Experience' gelingt. Hier meint man mit geschlossenen Augen ebenfalls, David Gilmour in die Saiten greifen zu hören; noch früher macht der Künstler während 'Failure' vorstellbar, wie eine Heavy-Prog-Band mit einem anderen David (Bowie) am Mikrofon hätte klingen können.
Wie gesagt: Ungeachtet der Fülle von Second-Hand-Eindrücken, die "Esoteric Euphony" vermittelt, ergibt sich ein stimmiges und vor allem individuelles Gesamtbild, dessen Schöpfer man nicht vorwerfen kann, ein Patchwork aus Anleihen bei seinen Vorbildern gestickt zu haben.
FAZIT: "Esoteric Euphony" bietet vertraut klingenden Progressive Rock auf der Höhe der Zeit mit härteren Ausschlägen und einer eigenständigen Note, mit der in Han Uils Fall keine greller Originalitäts-Krampf gemeint ist, sondern schlicht der würdevolle Umgang eines Musikers, der weiß, wer er ist, mit der Geschichte seines Leib-und-Magen-Genres. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/f9287d7ffb674d009ae5adef51665045" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.06.2019
Freia
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07.06.2019