Auf ihrem zweiten Album haben HANDS OFF GRETEL ausgemerzt, woran ihr Einstand noch krankte: "I Want The World" bringt das überdurchschnittlich feine Gespür der Band für Pop-Hooks nun auch klanglich hervorragend zur Geltung - und einmal mehr komponiert sie auf den Punkt genau, was zugleich ihre größte Stärke und Schwäche ist.
Das Dutzend Songs wirkt als Gesamtwerk betrachtet nämlich zu stromlinienförmig. Die nach wie vor blutjunge Lauren Tate, die praktisch alle Strippen allein in der Hand hält, macht es sich mitunter ein wenig zu einfach, indem sie zwei, drei Songwriting-Formeln wiederholt anwendet. Das lässt sich leicht durchschauen und auch nicht damit überspielen, dass die Texte am Alter der Verfasserin gemessen ausgesprochen reif und glaubhaft angepisst wirken, von ihrer Stimme ganz zu schweigen.
"I Want The World" - der Titel ist sozusagen ein intelligent weitergedachtes "Don't know what I want, but I know how to get it" von den Sex Pistols - bleibt darum bis zuletzt ein Paradebeispiel für verschenktes Potenzial, denn der giftig dreckige Indie bzw. Grunge von HANDS OFF GRETEL lässt sich in rigide Muster gepresst nicht vollständig entfesseln. Tates ungeheures Talent - auch spielerisch - deutet sich immer wieder lediglich an, und lässt sich die Frontfrau wirklich mal die Zügel schießen wie im überdrehten 'Big Boy', wirkt das ätzend ironisch, als würde sie den Song bewusst zerstören.
Solchen Luxus kann sie sich immerhin leisten, weil sie eben dieses findige Händchen hat, das auch die Protagonistinnen der Pixies, von Hole oder L7 zu ihren Hochzeiten hatten.
FAZIT: Alt-Rock vom Klassischsten aus der Feder eines Songwriting-Genies einer neuen Generation von Riot Grrrls, das seine Energie allerdings noch nicht in die richtigen Bahnen lenken kann. Wetten, dass auf HANDS OFF GRETELs drittem Album endlich alle Faktoren - Sound UND kompositorischer Anspruch - zur Perfektion zusammenfallen? <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/209e48810e8041919ee667a9f67acf7c" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.06.2019
Puke Pop
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07.06.2019