<b>„Ich glaube, ich fungiere als Brücke zwischen meinem inneren Universum und dem unbekannten Empfänger in der Außenwelt. Ich verwandle Stimmungen und Gefühle aus meinem Inneren in Musik und Worte, um eine Verbindung mit dem Publikum herzustellen und diese Gefühle in das Bewusstsein des Zuhörers zu übertragen.“</b> (Hans Lundin)
Als Freund oder Fan guter progressiver Rockmusik, aber auch elektronischer Musik und natürlich ganz speziell von HANS LUNDIN – dem kreativen Kopf und Keyboarder von KAIPA, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, seine Stimmungen und Gefühle in faszinierende Musik zu übertragen – gilt es, sich gehörig zu beeilen, wenn man diese opulente Lundin-Box aus dem Label-Hause Tempus Fugit voller längst vergriffener Alben und unveröffentlichter Raritäten erstehen will, die selbstverständlich auch für jeden ROINE STOLT- bzw. THE FLOWER KINGS-Anhänger hochinteressant ist. Schließlich begann die Stolt-Karriere mit KAIPA, bei denen er Gitarre spielte – und von dem man natürlich zugleich jede Menge Gitarrero-Kostproben auch auf <a href="https://www.youtube.com/watch?v=qSNsdlV0Rqw" target="_blank" rel="nofollow">„The Solo Years 1982 – 1989“</a> hören darf.
Ein Sammlerstück (und sogar eine Art Fortsetzung der ebenfalls längst vergriffenen und ganz ähnlich gestalteten „The Decca Years“-5-CD-KAIPA-Box) allererster Güteklasse mit garantiertem Wertzuwachs, wofür diese Tatsachen sprechen:
*T1: Die 6-CD-Box „The Solo Years 1982 – 1989“ von HANS LUNDIN ist streng auf 1.000 Exemplare limitiert;
**T2: Erstmalig gibt es die komplette, seit Ewigkeiten vergriffene Musik der 80er-Jahre des KAIPA-Chefs auf CD;
***T3: Alle Aufnahmen der sechs CD‘s erhielten ein klangvolles, vom großartigen Sound her unüberhörbares High-End-Remaster und wurden teilweise 2018 zusätzlich remixed;
****T4: Noch dazu erwartet den Musikliebhaber auf drei zusätzlichen CD‘s – ebenfalls liebevoll high-end-remastert – ein wahres Raritäten-Feuerwerk, das sich nicht nur auf HANS LUNDIN beschränkt, sondern auch verschiedene KAIPA-Demo-Aufnahmen aus den Jahren 1979, 1980 und 1981 beinhaltet!
Wie also kam es zu den drei 80er-Solo-Alben von HANS LUNDIN, der bis dahin seit Mitte der 70er-Jahre federführend die musikalischen Geschicke von KAIPA in der Hand hatte?
Ende des Jahres 1982 entschieden sich KAIPA, die sich mit ihren bis dahin fünf veröffentlichten Alben von 1975 – 1982 an die Spitze des skandinavischen Progressive Rocks der 70er-Jahre gespielt hatten, der in den 80ern aber immer mehr in Richtung moderner Pop- und Wave-Rock abrutschte, für eine Pause.
Eine Pause, die viel zu lange dauern sollte.
Aus diesem Grund nahm HANS LUNDIN, der die Band EKSEPTION als ein Schlüsselerlebnis auch für seine eigene Musik ansieht, zwischen 1984 und 1989 drei Solo-Alben auf, die er auf seinem eigenen Plattenlabel ÖRAT Records veröffentlichte und zu denen er rückblickend feststellt:
„"Tales" (1984), "Visions Of Circle Of Sounds" (1985) und "Houses" (1989).. Musikalisch sind alle Alben eine Reise zurück zu den grundlegenden KAIPA-Wurzeln („Das war wahrlich sinfonische Musik. Musik, die mich geistig, intellektuell und musikalisch wachsen ließ. Sie war ein klares Ziel für mich als jungen angehenden Komponisten!“) mit ihrem Fokus auf Melodien. Das erste Album enthält alle Musik, die ich, neben der Arbeit am letzten KAIPA-Album, geschrieben habe. Ich schrieb damals auch für Rundfunk-, Fernseh-, Theater- und Videoproduktionen. Neben meinem Musikerdasein arbeitete ich (1978 - 2008) außerdem in einem Plattenladen mit dem Namen "Musikörat", den ich 1978 mit KAIPA-Schlagzeuger Ingemar Bergman eröffnete. Ich wurde Vater von zwei wunderbaren Töchtern, Tove (1984) und Jessica (1986). In den Jahren, in denen sie aufwuchsen, wollte ich viel Zeit zu Hause verbringen. Ich habe in diesen Jahren viel Musik geschrieben, aber nach "Houses" wurde nichts Weiteres mehr aufgenommen."
Unter diesem Aspekt deckt die Lundin-Box nunmehr das komplette Schaffen mit all seinen progressiven, elektronischen, folkloristischen und stellenweise weltmusikalischen sowie poppigen Facetten, zwischen der ersten Auflösung von KAIPA im Jahr 1982 und der KAIPA-Reinkarnation, ausgelöst durch ein Treffen zwischen HANS LUNDIN und ROINE STOLT, im Jahr 2000 ab!
<b>Und was erwartet einen nun auf den sechs CD‘s der Box, wo es doch nur drei offizielle Lundin-Solo-Alben gibt?</b>
Hier kommt der Versuch einer Antwort:
<b>„Tales“</b> aus dem Jahr 1984 wurde bis dato ausschließlich als Vinyl-LP veröffentlicht. Für die Box wurde das Album erstmals als CD remixed und remastered. Die beiden Stücke „Ripples“, (Natürlich drängt sich bei diesem Titelnamen völlig zurecht der GENESIS-Vergleich auf!) und „Narrow Escape“ wurden schon 1980 und 1981 von KAIPA live gespielt und erleben hier ihre digitale Wiederauferstehung.
Auch sollte man hier bereits wissen, dass es für HANS LUNDIN immer unglaublich wichtig war, sein Musik-Equipment auf neustem Stand zu halten und gerade in punkto Keyboards – besonders bei den Synthesizern – ein erheblicher Entwicklungsschub entstand, dem Lundin akribisch folgte: „Die Zukunft lag damals im Synthesizer und ich verbrachte sehr viel Zeit damit, ihm die unterschiedlichsten Sounds zu entlocken, um so eine ganz persönliche Note für meine eigene Musik zu entwickeln.“
Ein Jahr nach „Tales“, das insgesamt auf eine sehr gute Resonanz gestoßen war, erscheint, von dieser Anerkennung inspiriert, <b>„Visions Of Circles Of Sounds“</b>, ein Album, bestehend aus zwei über 20minutige Suiten – unterteilt in jeweils fünf Abschnitte –, das ebenfalls nur als Vinyl-LP im Jahr 1985 veröffentlicht und für diese Box remixed und remastered wurde. Erstmals sind hier mit Max Åhman und Ulf Wallander bei einigen Aufnahmen zwei Gastmusiker vertreten, von denen besonders beeindruckend auch die Einbeziehung des durch Wallander gespielten Saxofons ist, das, neben den zusätzlichen Gitarre-Ausflügen von Åhman, der rein elektronisch ausgerichteten Instrumental-Musik auf diesem Album eine ganz besondere, sehr wirkungsvolle Klangfarben-Nuance verleiht.
<b>„Houses“</b>, das dritte und zugleich letzte offizielle Lundin-Solo-Album ließ vier Jahre nach dem Vorgänger bis 1989 auf sich warten und ist zugleich sein stärkstes.
Beginnend mit an EROC gemahnenden Traumreise-Klängen, entwickelt dann das großartige „In The Red House“ doch tatsächlich Erinnerungen an KING CRIMSON und hätte sich so – auch des Gesangs wegen – locker auf deren „Thrak“-Album verstecken können. Am Ende ist „Houses“ das progressivste und zugleich beste Lundin-Solo-Album, woran wohl auch ein ROINE STOLT, der mit darauf vertreten ist, genauso wie Saxofonist Olof Åslund und Sänger JOHAN VON FEILITZEN, der gemeinsam mit Lundin auf „In The Red House“ singt, einen erheblichen Anteil haben. Noch dazu faszinieren die leichten Jazz-Einflüsse, die in diesen musikalischen Häusern, welche sich auch als Kartenhäuser entpuppen können, immer wieder ein und aus gehen.
<b>„The Veiled Seveneyed Dancer“</b> mit Aufnahmen der Jahre 1986 und 87 hat, wenn man einen genaueren Blick riskiert, das mit Abstand erotischste Cover der Box, welches garantiert alle Männerherzen höher schlagen lässt und uns zugleich verschleiert zeigt, wie wunderschön gerade ein unrasierter Venushügel heute noch wirken kann, der in den modernen Zeiten des sexuellen Haar-Kahlschlags sowie jeglicher Venushügel-Glatzköpfigkeit eine liebevolle Ästhetik – genau wie die Musik hinter dieser ersten Bonus-CD – entwickelt.
„The Veiled Seveneyed Dancer“ ist ein komplett unveröffentlichtes Album, das zwischen „Visions Of Circles Of Sounds“ und „Houses“ eingespielt wurde. Eigentlich hätte es deshalb im Jahr 1987 das dritte Solo-Album von Hans Lundin werden sollen. Warum dies nicht der Fall war, erfährt man im Rahmen dieser Box nicht, obwohl es sich ohne Weiteres in den Lundin-Solo-Kanon hätte einordnen lassen, auch wenn einem mitunter HAROLD FALTERMEYER und seine Musik für das „Miami Vice“-Thema sowie VANGELIS mit seinen Filmmusiken in den Sinn kommen, wodurch dieses Album eine gewisse Soundtrack-Ausstrahlung mit sich bringt.
Noch dazu haben die Besitzer der Box erstmalig die Möglichkeit, das wunderschöne Album nicht nur in Augen- und Ohrenschein zu nehmen, sondern den letzte Song darauf, „The Young Folke”, als eine andere frühe Version von „Folke´s Final Decision”, der dann auf dem ersten Album „Notes From The Past“, das 2002 mit den neu formierten KAIPA entstand und so auch vom Titel her sofort Sinn macht, kennenzulernen.
<b>„In Search Of The Green Glass“</b> mit zwölf Songs, die zwischen 1980 und 1984 aufgenommen wurden und damals keinen Platz auf den Alben dieser Phase fanden, überrascht mit einer deutlich elektronischen Ausrichtung, die sich im (ein)gängigen TANGERINE DREAM- oder ASHRA-Umfeld bewegt. Oft verträumt, fast malerisch, aber immer wieder mit fetten Bombast-Breitseiten aufgepeppt, die bildlich gesehen wirklich hervorragend auf dem dazugehörigen Cover dargestellt sind: eine Berglandschaft bei Vollmond im Abendrot, das langsam von aufziehenden Gewitterwolken verhüllt wird. Auch sind mit MAX ÅHMAN und MATS LINDBERG zwei Gastmusiker aus dem KAIPA-Umfeld vertreten.
<b>„Okänt Öde“</b>, die – getreu dem Motto: „Aller guten Dinge sind drei!“ – letzte Bonus-CD der an musikalischen und sammlerleidenschaftlichen Kleinoden so wertvollen Box, ist nach dem insgesamt ältesten Stück der kompletten Sammlung benannt, das 1979 einen noch unglaublich sich den Klangwelten von GENESIS hingebenden Lundin mit diesem Instrumental präsentiert, der dabei vom SAMLA MAMMAS MANNA-Schlagzeuger HASSE BRUNIUSSON unterstützt wird.
Zuvor erinnert „Dina Mönster Dina Djup“ gesanglich an JOHN WETTON, „Kall Natt“ dagegen sogar an QUEENs FREDDY MERCURY, der einfach mal den Versuch unternimmt, in schwedischer Sprache zu singen und dazu noch ein paar gehörige New-Wave-Rhythmen an die Seite gestellt bekommt. Seltsam und reizvoll, selbst wenn hier der progressive Anteil gen Null geht.
„Jakt“ – eine KAIPA-Demo-Aufnahme des Jahres 1980 – klingt zur Freude aller GENESIS-Freunde so, als würde STEVE HACKETT himself die Gitarre spielen, auch wenn der Gitarrist in diesem Falle MAX ÅHMAN heißt und zu der Zeit noch bei KAIPA aktiv war.
Jedenfalls ist das damals noch „Unbekanntes Schicksal” (Ökant Öde) hier bereits vorbestimmt und sollte sich ab 2000 in der KAIPA-Reunion vollenden. Auch dieses letzte Album ist ein echter Box-Bonus, bei dem alle Songs dieser CD noch im Band-Kontext entstanden oder als solche gedacht waren. Neben einigen KAIPA-Demos, enthält sie Gesangstitel mit schwedischen Lyrics und hauptsächlich Instrumentalstücke, die alle zwischen 1979 und 1984 aufgenommen wurden. Somit finden sich einige Titel von vor der Lundin-Solo-Zeit, die auf der Box mit 1982 bis 1989 umrissen wird, auf der letzten CD wieder, weswegen wir sogar mit MATS LÖFGREN, den besonders talentierten Sänger der KAIPA-Besetzung der Jahre 1977 bis 1980, Bekanntschaft machen dürfen.
<b>„Heute ist die Fixierung auf eigene Musik statt auf den Hang nach Berühmtheit etwas Einzigartiges in einer Welt, in der die unendliche Suche nach Profit die Musiker zu einer unendlichen Spirale von Kompromissen zwingt, die letztendlich einen echten musikalischen Ausdruck ausschließt. Der Musiker ist oft gezwungen, als Dummkopf zu fungieren und hinterlässt dabei ein leeres Dum-Di-Dum auf den Lippen..“</b> (Hans Lundin)
HANS LUNDIN ist – wohl auch dank Tempus Fugit – weit entfernt von jeglichem „Dum-Di-Dum“ in seinen Kompositionen sowie auf seinen Lippen und bringt mit dieser Box all das zum Ausdruck, was in den 80er-Jahren seinen solistischen, völlig ungezwungenen Klang-Kosmos ausmachte. Darum setzt euch schnell in eure Musikrakete und erobert Lundins ganz eigene Welten, die nach der Auflösung von KAIPA ein wenig aus den Fugen geraten zu sein schienen. Ihr werdet viel Freude dabei empfinden und einen Haufen großartiger musikalischer Entdeckungen machen, da die meisten Sterne in dieser Form noch nie zum Leuchten gebracht worden. Dafür strahlen sie jetzt um so mehr!
Nur nicht vergessen: nach dem 1.000 Flug ist leider Schluss und es gibt kein 6-CD-Ticket mehr zum „The Solo Years 1982 – 1989“-Moon von HANS LUNDIN.
FAZIT: Ein echtes, sehr hochwertiges und streng auf 1000 Exemplare limitiertes Sammlerstück für alle Freunde von HANS LUNDIN – dem kreativen Querdenker und Kopf hinter KAIPA, bei denen auch ein ROINE STOLT vor seinen THE FLOWER KINGS die ersten progressiven Musikerfahrungen als Gitarrist machen durfte – ist diese 6-CD-Hardcover-Box (alle CD‘s im Pappschuber) „The Solo Years 1982 – 1989“ geworden, welche neben den drei offiziellen Alben tatsächlich drei (!!!) Bonus-CD‘s enthält, die allesamt die Qualität der offiziellen Studio-Alben halten und so zur extrem wertvollen Raritäten-Sammlung erwachsen. Zusätzlich liegt der komplett remasterten und teilweise remixten CD-großen, dicken Box noch ein 24seitiges, sehr informatives und mit raren Fotos bestücktes Booklet bei, in dem Peter Nordin und Lundin selber dem interessierten Hörer und Leser ausgiebig die Musik des 1948 geborenen Keyboarders, der seit 1964 in verschiedenen Bands und solistisch aktiv ist, näherbringen.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.03.2019
Mats Lindberg, Hans Lundin
Hans Lundin, Mats Löfgren, Johan von Feilitzen
Hans Lundin, Roine Stolt, Max Åhman
Hans Lundin
Hans Lundin, Hasse Bruniusson, Ingemar Bergman
Ulf Wallander, Olof Åslund (Saxofone)
Tempus Fugit/SPV
267:08
29.03.2019