Ausnahmen bestätigen die eiserne Regel, dass Drum-Computer im Metal nur seltenst zur akustischen Veredelung von Aufnahmen beitragen. Das gilt umso mehr, wenn es sich um metallische Interpretationen nahezu klassischer Themenstoffe handelt, wie z.B. bei "Falland Vörandi" von HEL. Ließ sich der ursprünglichen Aufnahme in der Tat der Vorwurf machen, dass der Balanceakt zwischen Tradition und Experiment in puncto Schlagzeug-Sound einfach nicht natürlich klang, dürfte die Neu-Einspielung eines echten Schlagzeugs von Dennis Strillinger (Magma Waves) als so sinnvoll wie gelungen gelten.
Die Liner Notes von Markus "Skaldir" Skroch spiegeln neben erneuten Anstrengungen, den Klang einerseits zu verbessern, ohne ihn andererseits zu stark zu verfremden, eine gewisse Verwunderung gegenüber der eigenen ungezügelten Kreativität in der Zeit nach der Jahrtausendwende. Wenn HEL jemals eine Nähe zu Bathory ausgezeichnet hat, dann wahrscheinlich nie mehr als bei diesem Album, in dessen Entstehungsprozess Skaldir und Valdr ein ums andere Mal ziemlich unbekümmert noch eine weitere Idee obendrauf setzten. Während Quorthon einst megalomanische Video-Clips ersonn (die nie realisiert wurden), fragten HEL sowohl langjährige Freunde und Weggefährten, jedoch auch Musiker außerhalb des Metal, um Beiträge für eine metallische Neudichtung von Balders Tod, wohl wissend um den Keyboard-Minimalismus von Burzum zu jenem mythischen Stoff. Die künstlerische Zusammenarbeit umfasste neben musikalischen (vor allem Gesangs-)Beiträgen auch zwei Gemälde von Sängerin Joran Elane, mit der Skaldir seit 2001 ätherischen Fantasy Folk unter dem Namen ELANE erschafft. Seine Begeisterung für verschiedenste Musikstile und seine Staunen machenden Ausdrucksmöglichkeiten in denselben dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass sich HEL zeitlebens mit ihren Alben nicht wiederholten, sondern stets für Überraschungen gut waren.
Während sich manche Wiederveröffentlichung von Kleinodien bis Klassikern im deutschen Metal-Underground nahezu ignorant und blasphemisch an den Originalen vergreift, hebt sich die Neuauflage von "Falland Vörandi" wohltuend davon ab. Was für die Musik gilt, trifft auch auf die Gestaltung zu: Sie wirkt "runder", ohne das ursprüngliche Werk in seinem eklektischen Charakter zu verleugnen. Metal-typisch bzw. klischeehaft ist auch hier eher wenig - und genau dadurch wird einmal mehr eine Brücke zu Bathory geschlagen, denn Quorthon selbst ließ ja oft genug einen feuchten Furz auf Szene-Konventionen. Ein musikalisches Hörspiel - ja, warum denn nicht?!
FAZIT: Diese Wiederveröffentlichung ist - im Gegensatz zu vielen anderen - auch für Besitzer der Originalaufnahme eine Anschaffung wert, denn "Falland Vörandi" erklingt nun so, wie es die beiden Hauptverantwortlichen wohl auch damals bereits vor dem inneren Ohr ausmalten. Somit liegt eines der ungewöhnlichsten und im deutschen Pagan Metal wegweisenden Alben in einer prächtigen Digipak-Variante - den Göttern sei Dank ohne überflüssigen Schabernack - vor, deren Auflage von 500 Stück rasch vergriffen sein dürfte.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.04.2019
Skaldir
Skaldir, Valdr, Hamar
Skaldir, Valdr, Hamar (acoustic)
Skaldir
Dennis Strillinger
Valdr, Skaldir (u.a. Maultrommel), diverse GastmusikerInnen
Einheit Produktionen
70:45
12.04.2019