Hat jemand nach den vielen Höhenflügen erwartet, die Iggy Pop auf seine alten Tage noch erlebt, der Urvater von Garage und Punk Rock würde sich auf seinem neuen Album in schaler Nostalgie ergehen? Nein, und tatsächlich erfindet er sich stattdessen abermals neu, indem er mit der Jugend kollaboriert (siehe auch die bei uns besprochene EP in Zusammenarbeit mit Underworld, die vor einigen Monaten entstand), genauer gesagt dem Trompeter, Komponisten und Sound-Designer Leron Thomas (u.a. Zuarbeiter von Pianist Jason Moran) sowie Gitarristin und Filmemacherin Sarah Lipstate alias Noveller, die schon anderen Alt-Exzentrikern (Sonic Youths Lee Ranaldo, Foetus) frische Impulse verliehen hat.
Die beiden spielen dem abenteuerlustigen, Jazz-affinen Iggy virtuos in die Hände, und das größtenteils introvertiert nachdenkliche Ergebnis nimmt eine Sonderstellung in seiner Diskografie ein. Der Titeltrack wirkt zwar wie eine bloße Einleitung zum eigentlichen Geschehen, steht aber wegen der wiederholten Freiheitsbekundung des Sängers mit nahezu körperloser Stimme exemplarisch für alles Folgende. Die Überwindung des Egos, die Pop laut eigener Aussage anstrebt, schlägt sich in einer nahezu völligen Auflösung konventioneller Songstrukturen nieder. Free ist wirklich frei im Sinne des Jazzethos und erinnert abwechselnd an James Newton Howards Werke für Regisseur M. Night Shyamalan, die eisigsten Klangwelten von Nils Petter Molvær sowie die Soloarbeiten von Japans David Sylvian.
Zum Leitmotiv der Vergänglichkeit, das in mehreren Tracks auftaucht, passt dieser schwer greifbare Stil besser als die dreckigen Roots des einstigen Stooges-Frontmanns – insbesondere im elektronisch brodelnden Page, wo er nervös gebrechlich beteuert, keine Karikatur seiner selbst sein zu wollen. Während Glow In The Dark, das auf Materialismus als Selbstversklavung schimpft, klingt indes der Post Punk der frühen 80er an, wobei der Charismatiker sein eigenes Image, das er über ein halbes Jahrhundert hinweg teils gezielt, teils unbewusst kultiviert hat, endgültig zu demontieren scheint und sich bis zu einem gewissen Grad verletzlich gibt. Das macht ihn trotz misstönend hässlicher Sounds ausgesprochen nahbar.
FAZIT: Iggy Pops 18. Studioalbum taucht seine Hörer in ein Wechselbad aus dystopisch kalten Klanglandschaften und warmer Zuversicht mit neuen Horizonten im Blick. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/2b6a6841719d4f0798c0a30fb5658c3a" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.09.2019
Caroline
49:22
06.09.2019