Für eine gerade einmal zwei Jahre existierende Band legen KALEIKR mit "Heart Of Lead" ein erstes Album nahezu ohnegleichen vor, gleichwohl sie aus Draugsól hervorgegangen sind. Im Grunde handelt es sich um ein Projekt zweier Musiker - Multi-Instrumentalist Maximilian Klimko und Schlagzeuger Kjartan Harðarson -, die sich in Sachen Extrem-Prog und Klangexperiment keinerlei Grenzen setzen.
Dies beginnt schon mit dem eröffnenden 'Beheld At Sunrise', das mit seinem orchestralen Intro in der Tat vorstellbar macht, wie sich etwas Sichtbares bei Sonnenaufgang aus der Dunkelheit herausschält. So entwickelt sich ein getragener Strophenpart mit verzweifeltem Geschrei und Gesang gleichermaßen, ehe Blastbeats zu Streicher-Arrangements (Bratschist Árni Bergur Zoëga wirkt mit) mitreißen - wohin, darüber lässt sich bis zum fiependen Ende nur spekulieren …
Mit dem folgenden 'The Descent' festigt das Projekt aus Islands Hauptstadt Reykjavík die Säulen seines Sounds. Schleppende und rasante Parts wechseln sich miteinander ab, wobei es rhythmisch immerzu vertrackt bleibt, der Text wird tief grollend (think Opeth) vorgetragen, und die Melodien würden auch jeder Funeral-Doom-Band stehen.
Bloß sind KALEIKR eben Prog, ja sogar psychedelisch, was die nebelhaften Momente in 'Of Unbearable Longing' betrifft, einer vergleichsweise gelassenen Einstimmung auf das erschütternde 'Internal Contradiction', eine bittersüße Hörerfahrung durch Harmonie und Dissonanz im steten Wechsel. 'Neurodelirium' wird zwischendurch ebenso luftig, fast rockig sogar mit einigen geradlinigen Uptempo-Grooves aus dem Post-Punk-Baukasten.
Derart unberechenbar und dennoch sehr stimmig bleibt das Duo bis zuletzt: Das mit ein wenig über vier Minuten lange Titelstück wirkt wie ein kurzes Zwischenspiel vor der dramatischen Walze 'Eternal Stalemate And A Never-Ending Sunset', nach der man sich bereits mehr von KALEIKR erhofft. Toller Newcomer!
FAZIT: Komplexität und Emotion halten sich auf "Heart Of Lead" auf perfekt abgestimmte Weise die Waage. KALEIKRs Debüt wurde glasklar druckvoll produziert, klingt aber nicht die Spur artifiziell, verbindet Misstöne aus der französischen Schwarzmetall-Schule mit den martialisch schreitenden Klängen der griechischen Szene und dem scheinbar ganz normalen Wahnsinn ihrer skandinavischen Heimat. Sollte man als Szenegänger 2019 gehört haben … <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/77354349ff2a4d8f9eedc437392f544d" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.02.2019
Debemur Morti / Soulfood
48:00
15.02.2019