Wer hätte einst auszumalen gewagt, dass ausgerechnet KAMPFAR nach Auflösung des ursprünglichen Duos und nach einer etliche Jahre währenden Findungsphase mit eher mittelmäßigen Alben zu einer solchen Macht im Norwegischen Metal werden, und ein Hammeralbum nach dem nächsten aufnehmen? Drei Jahre nach dem hochgelobten "Profan" kehrt das Quartett mit "Ofidians Manifest" zurück, und verarbeitet bedrückende Lebensabschnitte mit einem musikalischen Befreiungsschlag, dessen kraftvolle Produktion im höchsten Maße hörenswert ist.
Die Schreie im Intro erinnern an "Mellom Skogkledde Aaser", musikalisch nimmt das Quartett nahezu hastig Fahrt auf, bevor "Syndefall" in stampfendes Midtempo mündet. Das folgende "Ophidian" nimmt eine Fährte auf, welche die ehemaligen Tour-Gefährten Secrets of the Moon (leider) verlassen haben: Dolks Gesang klingt garstig und - nichtsdestotrotz - bemerkenswert verständlich, der Übergang vom massiven Black Metal zu epischen Chor-Arrangements gelingt bravurös. In "Dominans" lässt neben Dolk auch Agnete Kjølsrud ihre Stimme erklingen, d.h. auch die Djerv-Sängerin grollt, faucht und hext (ja genau, hört es Euch an!), als gäbe es kein Morgen. Es ist fast beängstigend, was die Band hier in viereinhalb Minuten abbrennt - und dabei immer noch KAMPFARs Wurzeln durchklingen. Gänsehaut.
Das Klavierinterludium in "Natt" lädt nur wenige Sekunden zum Innehalten in einem Lied ein, das textlich an die Frühwerke von Tiamat und Burzum erinnert, musikalisch sogar ein wenig Richtung Hades neigt (bei denen Ask sich derweil als Sänger verausgabt). Episch und finster.
Wollte man den Norwegern einen Vorwurf machen, dann könnte man ihnen unterstellen, "Ofidians Manifest" nahezu versöhnlich mit "Skamløs!" und "Det Sorte" ausklingen zu lassen. Doch vielleicht steckt auch ein (unbewusster) Plan dahinter?
Es kann jedenfalls kaum genug betont werden, mit welcher Ausdrucksvielfalt und -gewalt Dolk auf "Ofidians Manifest" aufwartet. Sicher, der Frontmann hat selten einen Zweifel an seiner Hingabe gelassen, doch zeichneten sich KAMPFAR ja gerade zu Beginn ihres Wegs durch nuancierte Variationen innerhalb enger Grenzen aus. Ole Hartvigsen schüttelt längst nicht nur Folk-inspirierte Melodien unwiderstehlich aus dem Ärmel, sondern reiht ein Nackenbrecher-Riff an das andere, während die Rhythmus-Sektion massiven Druck erzeugt. Würde sich die Band nach diesem Album auflösen, weil sie im Angesicht der Abgründe noch mal alle Kräfte gebündelt hätte, es wäre ein grandioses Vermächtnis von Metal-Musikern, die im mittleren Alter ganz gewaltig Fahrt aufnahmen.
FAZIT: Kompromisse sind nach wie vor nicht das Ding von KAMPFAR, die ihren persönlichen Stil mit schwer-metallischer Leidenschaft verfeinern, ohne prinzipiell vom Weg abzuweichen. Wer mit der direkten Art der Band bisher nichts anfangen konnte, der wird auch mit "Ofidians Manifest" nicht warmwerden. Wer jedoch geradlinigen Black Metal norwegischer Prägung mit Tiefgang - oder soll ich lieber schreiben: mit Tiefensog? - hören möchte, der kommt an KAMPFAR wohl kaum vorbei.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.06.2019
Jon Bakker
Dolk
Ole Hartvigsen
Ask Ty
Indie Recordings
40:39
03.05.2019