Dicke Boxen mit der Veröffentlichung von Frühwerken beliebter, aber nicht wirklich sehr bekannter und berühmter Musiker des Progressive Rock stehen momentan sehr hoch im Trend – sicher zur Freude all derjenigen, die sich gerne auf progressiven Anspruch, verbunden mit dem Schwelgen in nostalgischen Erinnerungen einlassen. Gerade erst erschienen diesbezüglich von <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2019/Hans-Lundin/The-Solo-Years-1982-1989-Limitierte-6-CD-Box/" target="_blank" rel="nofollow">HANS LUNDIN „The Solo Years 1982 – 1989“</a> und von <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2019/The-Samurai-Of-Prog/Omnibus--The-Early-Years/" target="_blank" rel="nofollow">THE SAMURAI OF PROG „Omnibus – The Early Years“</a> und nun zieht ANTONY KALUGIN aka KARFAGEN mit „The Key To Perception – Deluxe Edition“, eine 4-CD-Digipak-Deluxe-Ausgabe, nach, die leider keinerlei Booklet oder spezielle Zusatzinfos zu den frühen Veröffentlichungen, dafür aber eine Unmenge verdammt wertvoller Bonusaufnahmen enthält.
Präsentiert bekommen wir hier fast fünf Stunden Musik aus der Feder und den Instrumenten des Ukrainers ANTONY KALUGIN der Jahre 2002 bis 2007, welche die vier kompletten Alben „The Water“ (2002), „AKKO II“ (2004) von KALUGIN sowie „Continium“ (2006) und „The Space Between Us“ (2007) von KARFAGEN umreißen.
Man bekommt auf dieser Box genau das geboten, was man von ANTONY KALUGIN und seiner Band KARFAGEN gewohnt ist: die getragenen, fast himmlisch anmutenden Stimmungen, basierend auf Keyboard-Bombast, aber auch viel Akustik, wie klassisches Piano, akustische Gitarren, Flöten, Percussion, Akkordeon, Lyra und vieles mehr.
Manchmal lächelt einen aus den Stücken der ersten beiden mit Band eingespielten Alben ein MIKE OLDFIELD an, dann wieder elektronisch Verkrautrocktes, gar Shanty- und Country-Rhythmen, oder zärtliche New-Age- und Ambient-Klänge, die den Hörer einlullen, hypnotisieren und entschleunigen, ohne sich dabei jemals dem Verdacht ergeben zu müssen, als verhasste Fahrstuhlmusik durchzufallen. Keyboardlastige Symphonik statt Etagen-Elektronik eben.
Mit dem furiosen „The Dream Master“ gibt‘s dann sogar ein klassisch anmutendes Piano-Stück mit einigen Jazz-Einsprengseln, so als würde der Aqua-Liebhaber Kalugin der Welt beweisen wollen, dass er sogar einem KEITH JARRETT das Wasser reichen kann. Und nach den knapp sieben Minuten muss man ihm tatsächlich zustimmen.
Überhaupt atmet die Kalugin-Musik auf diesen vier Alben viel Natürlichkeit und Naturverbundenheit. Und wer sich heutzutage in die Natur begibt, der sucht nach Ruhe. Wer die Musik von Kalugin auflegt, bekommt diese auch geboten – so gesehen Natur für die Ohren.
All das wird noch durch das Zitat verstärkt, welches diese Deluxe-Ausgabe ziert. Es ist von MIRZA GHALIB (1797 – 1869), einem indischen Dichter, der in Indien und Pakistan zu den Nationaldichtern zählt.
Aber auch die Sammler werden sicher erfreut sein. Allein der Bonustitel wegen, Demos und Unveröffentlichtes eben, die es zusammengefasst locker auf über eine Stunde Spielzeit bringen.
Einige Demos im Bonus-Bereich vermögen nicht immer die hohen Sound-Ansprüche zu halten, aber das nimmt man nur zu gerne hin, wenn man die bis dato unveröffentlichten Aufnahmen hören darf – und Kalugin darin gerne auch mal wie bei „Old Legends (Demo)“ seinen persönlichen WAKEMAN raushängen lässt und ihn und seine New-Age-Phase dann auch immer wieder in seinen Solo-Werken aufgreift.
Immer wieder Natur und so einige Geräusche, wie Vogelzwitschern und Wellenrauschen erwarten uns zusätzlich bei Kalugins Musik. Da drängt sich natürlich der New-Age-Verdacht auf, den heutzutage so einige noch als bösen Makel empfinden. Soll‘n sie doch – allerdings werden die garantiert keine Freude oder gar Frieden mit den beiden Kalugin-Solo-Alben der Jahre 2002 und 2004 finden, die der Ukrainer im Alleingang einspielte. Denn hier regiert New Age – herrlich entspannend, manchmal an den Insel-Gilmour erinnernd und überhaupt völlig unaufgeregt. Gleich das erste Album von Kalugin – im Falle der Box die dritte CD – dreht sich ums Wasser. Natürlich ist die Musik dabei wortwörtlich im Fluss. Es brechen aber keine Orkane, Stromschnellen, wilde Strudel oder Tsunamis aus. Ein verspielter Gebirgsbach, der auf die Weiten des ruhigen Ozeans trifft, beschreibt die Musik hinter „The Water“ wohl am besten.
Das zweite und zugleich letzte Album dieser Viererzusammenstellung ähnelt „The Water“, ist aber etwas dunkler ausgefallen. Schließlich thematisiert es auch den Winter und enthält sogar ein Weihnachtsstück.
Und am Ende des Albums gibt‘s sogar noch sakrale Mönch-Gesänge kombiniert mit elektronischen Spielereien und weiblichen Hintergrund-Chören, die fast etwas stöhnend (Au weia!) klingen, mit dazu.
Ein feines Sammlerstück, das sicher auch dank der strengen Limitierung der Luxusausgabe in gar nicht all zu langer Zeit eine Wertsteigerung zur Folge haben wird, egal, ob man Kalugins intensiven Ausflüge in den New-Age-Bereich und die manchmal recht schwülstig daherkommenden Keyboard-Passagen nun mag oder nicht. Für Freunde des progressiven Ukrainers und dessen Projekte auf jeden Fall lohnend!
FAZIT: „The Key To Perception – Deluxe Edition“ ist eine 4-CD-Rückschau auf die ersten vier Alben im Umfeld des progressiven Ukrainers ANTONY KALUGIN, die auf den beiden reinen Solo-Alben „The Water“ (2002) und „AKKO II“ noch tief im New Age versinken und bei den beiden KARFAGEN-Alben „Continium“ (2006) und „The Space Between Us“ (2007) sich bereits deutlich dem weltmusikalisch orientierten Neo Prog zuwenden – immer recht verträumt und naturverbunden und mit feinen akustischen Momenten (Gitarren, Flöten, Lyra, Akkordeon usw.) aufgehübscht. Kalugins längst vergriffenes Frühwerk gibt‘s nun in dieser Deluxe-Variante. Zugreifen, auch der Limitierung wegen!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.09.2019
Roman Kucherenko
Antony Kalugin, Marjana Sobol, Tim Sobolev, Elena Moscalec
Roman Philonenko, Oleg Karotaev, Oleg Buklov, Denis Moroz, Antony Kalugin
Antony Kalugin, Oleg Polyankiy
Kostya Shepelenko
Sergii Kovalov (Harmonika, Akkordeon), Georgij Katunin (Lyra, Flöten), Antony Kalugin (Percussion)
Caerllysi Music / Just For Kicks
295:25
20.09.2019