Die bereits musikpreisgekrönten Schwestern Gianna und Laura Caronni sind Argentinierinnen mit Wurzeln in der Schweiz und Italien sowie dem russischen, jüdischen und spanischen Kulturkreis. Sie verbrachten ihre Kindheit in Rosario, einer Hochburg des Tango, der sie demnach stark geprägt hat, während sie schon in ihrer frühen Pubertät traten mit verschiedenen Groß- und Kleinformationen auftraten. Später haben die beiden im französischen Lyon eine klassische Musikausbildung durchlaufen und kollaborierten wiederholt mit ihrem Landsmann Juan Carlos Cáceres, der wie sie mittlerweile in Europa lebt. Für "Santa Plástica" haben die Zwillinge Startrompeter Erik Truffaz zur Zusammenarbeit bewegt.
Das Duo ergeht sich auf diesem Album in musikstilistischem Weltenbummeln. Lateinamerikanische Tänze wie das einleitende Titelstück stehen klagenden Balladen gegenüber, welche die Schwermut der Heimat der zwei reflektieren. Weit vorne liegt in diesem Zusammenhang 'Breathe', das Las Hermanas Caronni gemeinsam mit Singer-Songwriter Piers Faccini intonieren. Cello und Klarinette stellen sich insbesondere in derart getragenen Momenten als wichtigste Komponenten des instrumentalen Unterbaus für die betörenden Stimmen heraus.
Bisweilen erweckt das Album auch den Eindruck von entrückter Kammer- oder Filmmusik (höre vor allem 'Tingo', das ohne Vocals auskommt), wozu die Macherinnen übrigens auf europäischen Impressionismus (Maurice Ravel und Claude Debussy) als Einfluss verweisen. Ein Großteil des Materials beruht schließlich auf Motiven die von alten wie jüngeren Komponisten entlehnt wurden - sowohl Johann Sebastian Bach als auch Astor Piazzolla) Folkloristisch wird das Ganze natürlich auch ein ums andere Mal, doch in seiner Gesamtheit bleibt "Santa Plástica" kunstvoll abstrakt, wenn auch keineswegs unemotional.
Apropos: Das innige 'El Cielo', eine Elegie aus Holzblasinstrumenten, weist einen ausgesprochen ländilichen Charakter auf, wohingegen 'Coucou' in den 1920ern in einem Pariser Club hätte gespielt werden können. Zwischen diesen beiden Polen blicken die "Hermanas" allerdings nicht nur in die Vergangenheit; textlich dreht sich vieles um aktuelles Zeitgeschehen, brennende Fragen wie Umweltzerstörung und gesellschaftlichen Wandel allgemein. Wer die verwendeten Sprachen beherrscht, sollte sich also auch die Lyrics zu Gemüte führen.
FAZIT: "Santa Plástica" lässt sich aufgrund der Fülle musikalischer Eindrücke von unterschiedlichen Schauplätzen auf der Welt kaum irgendwo einordnen. Man muss diesen intimen, auf den Gesang von Las Hermanas Caronni ausgerichteten Akustik-Sound einfach hören, um einen umfassenden Eindruck davon zu gewinnen. Nennen wir es einfach Klassik-Jazz-Folk-Crossover … <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/0338d97d8f5a4e968f3fcc8ef5b0e96a" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.05.2019
Les Grands Fleuves / Broken Silence
40:02
24.05.2019