Anders als auf seinem ersten Album unter eigenem Namen singt Lindemann auf dem Nachfolger ausschließlich deutsch. Ansonsten darf man die Sprüche, die das Rammstein-Aushängeschild und sein Zuarbeiter Peter Tägtgren (bekanntlich Pain und Hypocrisy), im Vorfeld der Veröffentlichung von "F&M" loslassen, getrost vergessen.
Nicht dass die Platte deckungsgleich mit ihrem Vorgänger wäre, doch von einem wagemutigen Experiment, wie es die beiden suggerieren, kann keine Rede sein. Sie brauchen aber auch keine Innovationen loszutreten, denn ihre Klientel, die im Grunde gänzlich aus Fans ihrer Bands (der deutschen mehr, der schwedischen weniger) bestehen dürfte, verzichtet gern auf Neuerungen.
Außerdem: Das Album macht Spaß, nicht mehr und nicht weniger. Die Unterschiede zu Rammstein bleiben wie zuvor marginal; der skandinavische Produzent und Co-Komponist, der auch fast alle Instrumente selbst einspielte, setzt allenfalls häufiger auf Synthesizer im Vordergrund und bindet Chor-Parts als tragende Elemente in mehrere Songs ein, ansonsten fühlt sich beim Hören jeder wie zu Hause, der Till frühestens seit "Herzeleid" treu ergeben ist.
Seine wie üblich hintersinnige bis plumpe Lyrik steht naturgemäß im Zentrum des Geschehens; Selbstbetäubung, Völlerei, sexuelle Abwegigkeiten und schierer Eskapismus sind (einmal mehr) seine Lieblingsthemen, derweil Tägtgren im vorwiegend feiste Riffs und Stampf-Rhythmen auf den Leib geschrieben zu haben scheint. Exemplarisch dafür stehen das pathetische 'Ich weiß es nicht' Pathos-Stampfer, der 'Allesfresser' und das arg simpel gestrickte 'Gummi'.
Am fantasievollen Ende des Spektrums stehen das atmosphärisch getragene 'Blut', das in der ersten Hälfte mit Wandergitarren aufwartende 'Knebel' als aufs Einfachste heruntergebrochene Singer-Songwriter-Nummer, zu der auch ein wie gewohnt schmissiges Musikvideo existiert, sowie der coole Tango 'Ach so gern'.
Der zutiefst ironische Text von 'Platz Eins', zieht die Musik (Halfett-EBM) aus dem B-Seiten-Sumpf, über alle Zweifel erhaben sind hingegen 'Schlaf ein' und 'Wer weiß das schon' - beides orchestral verbrämte (Klavier-)balladen, letztere tatsächlich ergreifend ohne doppelten Boden.
FAZIT: "F&M" kommt höchstens etwas leichtfüßiger als Rammstein daher, ist aber das abzusehende Methadon für zu schnell nach dem nächsten Kick suchende Rammstein-Hörer. Auf diesem gehobenen Niveau dürfen Till Lindemann und Peter Tägtgren gerne weitermachen, denn ganz ehrlich: Abgesehen vom Skandalimage der Hauptband des Sängers nimmt die Scheibe deren neuer in puncto Qualität nichts - sie mutet im Gegenteil sogar weniger berechnet an. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/f0a999e6b1f24af583883de5ef9a25f9" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.11.2019
Vertigo / Universal
50:21
22.11.2019