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Magne Furuholmen: White Xmas Lies

Stil: Kritisch-melancholische Weihnachtslieder

Cover: Magne Furuholmen: White Xmas Lies

<b>„Ich schäme mich, Teil eines Weihnachtsfestes zu sein, bei dem es heutzutage anscheinend hauptsächlich darum geht, immer mehr Kram zu kaufen, den niemand braucht oder auch nur wirklich will… eine schleimige, oberflächliche Feier, die im krassen Kontrast zur ursprünglichen Weihnachtsbotschaft von Hoffnung, Nächstenliebe und Mitgefühl steht.“</b> (Magne Furuholmen von A-HA)

Ja, ja, ja – es weihnachtet wieder!
Besonders intensiv natürlich auf dem Musik-Markt. Dabei ist es verdammt schwer geworden, den akustischen Spreu vom klangvollen Weizen zu trennen.
Das dritte Studio-Album des A-HA-Mitglieds MAGNE FURUHOLMEN 'White Xmas Lies' jedenfalls gehört – trotz des nicht immer überzeugenden Gesangs, der allerdings in seinen besten Momenten an ROBERT WYATT erinnert – zum „klangvollen Weizen“, da es einerseits ein melancholisches Winteralbum und andererseits ein etwas anderes Weihnachtsalbum geworden ist, das aus 14 neuen Eigenkompositionen und zwei recht überraschenden Coverversionen besteht und über 70 Minuten Zeit auf dem Silberling füllt. Am Ungewöhnlichsten aber ist bei dieser Weihnachtsmusik-Entdeckung, dass in ihr der Sinn moderner Weihnacht nicht nur offen hinterfragt, sondern, trotz aller leiser Töne, lauthals infrage gestellt wird: „Warm Xmas weather / White xmas lies / Angels in heaven / They sigh“!
Wenn man permanent von künstlichen Lichtern umgeben ist, verlieren wir eben, wie in <a href="https://www.youtube.com/watch?v=LAPbj-Fibc8" rel="nofollow">„The Light We Lost“</a> besungen, den Blick für alles Ursprüngliche und Natürliche.

Furuholmen verfolgt auf „White Xmas Lies” bei diesem offensichtlichen Titel die Absicht, ein „Gegengift zu der schmalzigen Weihnachtsmusik zu brauen, die jedes Jahr mit einem scheinbar endlosen Strom kitschiger Versionen altbekannter Weihnachtslieder veröffentlicht wird“.

Mit dieser Absicht entstand wohl eins der beeindruckendsten melancholisch-nachdenklichen Weihnachtsalben dieses Jahres, denn Furuholmen Ziel ist es, den Geschenke- und Friede-Freude-Eierkuchen-Wahnsinn, der jedes Jahr in aller Herren Länder, und natürlich des Christuskindleins Namen, als wirtschaftliches Großereignis veranstaltet wird, bloßzustellen: „Ich habe das Glück, eine Familie um mich zu haben, aber für viele Menschen ist Weihnachten eine harte Zeit und weckt eher Erinnerungen an Verlust, Sehnsucht und verkrüppelnde Einsamkeit. Ich wollte versuchen, ein Album zu machen, das auch für diejenigen von Bedeutung ist, die außerhalb unseres kommerziellen Weihnachtsrummels existieren - ein Album, das die melancholischeren, dunkleren Seiten von Weihnachten betrachtet: zerbrochene Familien, Dinge, die wir unter den Teppich kehren, verborgener Groll hinter falschem Lachen – eher ein Album für die echte Einkehr zu den Feiertagen als nur sentimentale Dekorationsbeschallung.“

Musikalisch werden die beeindruckend-bedrückenden Texte, die sich größtenteils um das Sich-Selbst-Betrügen zur Weihnachtszeit drehen, natürlich mit einer dunklen Prise A-HA-ähnlichem, insgesamt aber deutlich ruhigeren Klängen umgesetzt, die nicht nach Pop-Appeal, sondern viel mehr den so damit übermittelten Betroffenheitsbotschaften schielen. Wie schön wäre es doch, wenn zu den besinnlichen Weihnachten nun auch die „Besinnungsweihnachten“ kämen, und überall statt permanenter „Silent Night“-Berieselung auch immer wieder die „Weißen Weihnachtslügen“ des Musikers erklingen würden, der mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=djV11Xbc914" rel="nofollow">„Take On Me“</a> einen Mega-Hit der Extraklasse schuf.

Eine der schönsten und zugleich weihnachtskritischsten Zeilen des Albums findet man beispielsweise auf „A Wintry Silence“ mit „Für jede Weihnachtsrose, die wir besaßen, ist dem Herz ein Dorn gewachsen“, aber auch mit bitterbösem, schwarzem Wortspiel-Humor wartet Furuholmen auf, wenn er in „The Season To Be Melancholy“ mit dem (doppeldeutigen) Weihnachts-Punsch einen K.O.-Schlag (Punch) werden lässt: „Sie kriegen ihren Weihnachtspunsch direkt auf's Kinn.“

Hört man bei dem Album genau hin, dann wird einem klar, warum ein norwegischer Musiker, der mit A-HA schon mehr als 70 Millionen Alben verkaufte, vom norwegischen König zum Ritter am „Dienste der Menschheit“ geschlagen wurde.

FAZIT: Vielleicht bewirkt das Album mit „White Xmas Lies” und MAGNE FURUHOLMENs Berühmtheit als A-HA-Mitglied zugleich, dass man vor diesem Weihnachtsfest noch einmal darüber nachdenkt, mit welchem Hintergrund es entstand und sich statt in einer Geschenk-Orgie und termingerechten Liebesheucheleien zu erschöpfen, lieber in etwas Enthaltsamkeit und Nächstenliebe übt.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.11.2019

Tracklist

  1. There Goes Another Year
  2. The Light We Lost
  3. A Punch-Up On Boxing Day
  4. Caprice Des Dieux
  5. This Is Now America
  6. White Xmas Lies
  7. Differences
  8. Revelation Song
  9. The Season To Be Melancholy
  10. Snow Is Falling
  11. Dark Days, Dark Nights
  12. Hells Bells
  13. So Cold It's Hard To Think
  14. A Wintry Silence
  15. The Ghost Of Xmas Past
  16. Come Back Home
  17. Father Chrismas

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Drabant Music / Membran / The Orchid

  • Spieldauer

    71:20

  • Erscheinungsdatum

    25.10.2019

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