Vielleicht sollten, bevor man sich auf diesen Rockpalast-Auftritt vom 15. September 1978 der PAUL BUTTERFIELD BAND in der Essener Grugahalle stürzt, noch ein paar musikhistorische Hintergründe zu dem wohl besten Mundharmonika-Spieler des Blues geklärt werden.
Butterfield und seine Blues Harp bereicherten nicht nur die ganz großen Blues-Legenden, wie MUDDY WATERS, HOWLIN‘ WOLF, ERIC CLAPTON oder LITTLE WALTER, sondern er nahm mit seiner 1965 gegründeten Band auch an den beiden bedeutendsten Rock-Festivals teil: 1967 am Monterey Pop Festival und 1969 am Woodstock-Festival. Auch bei dem legendären Abschiedskonzert „The Last Waltz“ von THE BAND spielte er seine heiß geliebte Blues Harp, die ihm leider auch nicht dabei helfen konnte, dass er nach der Auflösung seiner letzten Band BETTER DAYS, die aus der PAUL BUTTERFIELD BAND hervorgegangen war, dem Alkohol und den Drogen verfiel, die ihm bereits im Jahr 1987 im Alter von gerade mal 45 Jahren den Lebenshahn abdrehten. Dass Butterfield 2006 in die Blues Hall Of Fame aufgenommen wurde, nutzte ihm, der drei Wochen nach seinem letzten gemeinsamen Auftritt mit B.B. KING, ALBERT KING und ERIC CLAPTON seinen endgültigen Abgang durch einen nebelverhangenen Schleier aus Alkohol und Drogen antrat, reichlich wenig.
Sein Rockpalast-Konzert vom 15. September 1978, das es nun endlich auch auf DVD + CD im Digipak samt achtseitigem Booklet mit Linernotes von Peter Rüchel in deutscher und englischer Sprache zu erstehen gibt, wurde im Rahmen der 3. Rockpalast-Nacht des WDR europaweit live im Fernsehen und Radio übertragen.
Anfängliche tontechnische Schwierigkeiten leiten das Konzert ein, sodass bei „Fair Enough“ der Sound noch schnarrt und Butterfields Blues Harp kaum zu hören ist. Das Problem wird allerdings recht schnell bis zum „New Walking Blues“ überzeugend behoben und die Konzertaufnahme klingt im Endeffekt relativ gut, aber typisch nach Siebziger-Jahre-Live-Aufnahmen. Klangtechnisch jedenfalls keine Meisterleistung.
Die Band war vor dem Konzert nur eine Woche zusammengewesen und legte dann dieses Rockpalast-Konzert, das bis auf die paar Sound-Probleme sehr gut und perfekt ist, hin. Auch ist unüberhörbar, dass die Musiker nicht nur vom Blues, sondern auch aus dem Jazz kommen und besonders die beiden Gitarristen es lieben, ausgiebig solistisch zu improvisieren. Bei „It‘s Alright“ und „Just When I Needed You Most“, bei dem Gitarrist Feiten sogar Keyboard spielt, beweisen sie zugleich, dass auch verträumte Blues-Balladen für sie kein Problem sind, selbst wenn „It‘s Alright“ durch ein langes Gitarren-Solo von BUZZ FEITEN beendet wird.
Die sich der Ballade anschließende Blues-Rock-Nummer „Goin‘ Down“ weckt umgehend Erinnerungen an LED ZEPPELIN, die einem bei diesem Konzert überhaupt immer wieder in den Sinn kommen, während beide Gitarristen außerdem nur zu gerne offenbaren, dass zu einem ihrer größten Vorbilder garantiert JIMI HENDRIX gehört.
Mit dieser ungewöhnlichen Kombination aus viel Blues und Rock, aber auch Jazz oder ein paar weltmusikalischen Klängen zählt Butterfield noch heute als „der weiße Botschafter des schwarzen Chicago Blues“.
Sehr interessant ist auch das fast viertelstündige Interview, das mit der Band geführt wird und dabei der Interviewer seine Fragen und die Antworten direkt ins Deutsche übersetzt. Butterfield hebt auch den extremen Einfluss von MUDDY WATERS auf ihn und seine Musik hervor, den er erstmals mit 14 Jahren bei einem Konzert erlebte. Ab dem Zeitpunkt sollte MUDDY WATERS sein Leben maßgeblich verändern, betont Butterfield immer wieder.
Überlassen wir das letzte Wort dem leider ebenfalls verstorbenen „Macher“ des Rockpalasts PETER RÜCHEL, der mit seinen Ausführungen zu dem Konzert im Booklet mit dem Satz abschließt: „Diese DVD hält die Erinnerungen an einen großen Musiker wach.“
Darum wurde es auch höchste Zeit für die Veröffentlichung von PAUL BUTTERFIELD BAND „Live At Rockpalast 1978“.
FAZIT: Mit dem Rockpalast-Konzert am 15. September 1978 in der Grugahalle Essen gab die PAUL BUTTERFIELD BAND ihre erste Show in Europa überhaupt. Im Rahmen der europaweit live in Funk und Fernsehen übertragenen WDR-Rockpalast-Nacht, die als Überbrückung für den um 3 Uhr folgenden Boxkampf zwischen Muhammad Ali und Leon Spinks galt, traten sie dort gemeinsam mit PETER GABRIEL, der sich 1975 von GENESIS getrennt hatte und ALVIN LEE‘S TEN YEARS LATER auf. Butterfield gilt als Legende hinter der Blues Harp, der mit so etwa allen Größen der Blues-Szene live spielte. Eindrucksvoll stellt er dies auch als Sänger gemeinsam mit seiner Band in „Live At Rockpalast 1978” unter Beweis!
Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.05.2019
Bobby Vega
Paul Butterfield, Buzzy Feiten
Buzzy Feiten, Peter Atanasoff
Buzzy Feiten
Ernest Carter
Paul Butterfield (Mundharmonika)
MIG Music
112:07
26.04.2019