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Reviews

Paul Cauthen: Room 41

Stil: Americana

Cover: Paul Cauthen: Room 41

Beinahe hätte es Paul Cauthen während der Arbeiten an seinem neuen Longplayer das Leben gekostet, doch wie so oft - auch wenn es floskelhaft anmutet - fungierte Musik als Anker bzw. Lebensretter. Inwieweit man "Room 41" allerdings anhört, unter welch ernsten Umständen es entstanden ist, liegt im eigenen Ermessen des Rezipienten.

Cauthen schrieb das Album sozusagen in der Drogenhölle, während er zwei Jahre lang lediglich aus dem Koffer lebte, nachdem er sich im Belmont Hotel in Dallas einquartiert hatte - eben auf Zimmer 41, wie der Titel seines aktuellen Albums andeutet - und durchlitt seine Lyrics offensichtlich regelrecht im Laufe der Produktion.

Da der Texaner in knapp 40 Minuten intensivst auf der Gefühlsklaviatur spielt, darf an davon ausgehen dass er auf eine Fülle von Ideen zurückgreifen konnte, was aufs Neue belegt, wie private Nöte Kreativität beflügeln können. Entstanden sind in Cauthens selbst auferlegtem Exil nicht nur metaphorische Texte mit nachgerade biblischer Wortgewalt, sondern dazu passend epische Musik innerhalb des mehr oder weniger gesamten Americana-Spektrums.

Basslastig groovender Soul wie im Opener 'Big Velvet' oder kurz darauf 'Cocaine Country Dancing, wo Paul das böse Kind Koks jeweils beim Namen nennt, wechselt sich mit klassischem Singer-Songwriter-Stoff und halb elektronischen Tracks der Marke 'Freak' ab, dem orgelnden Juwel des Albums. 'Give 'Em Peace' klingt hingegen wie Tom Waits im Gewand eines Heartland-Rockers und bildet gemeinsam mit dem gospeligen 'Slow Down' sowie 'Lay Me Down' - einer Ballade zum Dahinschmelzen von einer Intensität, die dem Schaffen von Johnny Cash unter Rick Rubin ich nichts nachsteht - das Favoritentrio dieses Hörers.

Außerdem tut sich Cauthen als stimmliches Chamäleon zwischen Springsteen-Gesten ('Angel'), androgynem Indie-Folker und sonor raunendem Crooner (höre hierzu. speziell 'Prayed For Rain') hervor. Unabhängig von all diesen Assoziationen ist "Room 41" ein allgemeingültiger Entwöhnungstrip, symbolisch aufgeladen (Niedergang und Wiederauferstehung, göttliche Erlösung) ohne allzu viel Schwulst, musikalisch enorm vielseitig und haarsträubend eindringlich.

Die Songs gleichen Geschichten mit einer Moral, ohne dass ihr Schreiber und Performer einen klugscheißerischen Zeigefinger erheben würde.

FAZIT: Paul "Big Velvet" Cauthen verweist auf seiner neuen LP einmal mehr auf den Wahrheitsgehalt der Binsenweisheit, persönliche Krisen brächten große Kunst hervor, denn auch wenn man "Room 41" nicht zu einem Meisterwerk zu verklären braucht, markiert das Album einen Karrierehöhepunkt für den Texaner - himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt im Hadern mit den großen Emotionen jedes Menschen. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/0c983f4ba17a45d7a2587aac268ee581" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.09.2019

Tracklist

  1. Big Velvet
  2. Lay Me Down
  3. Slow Down
  4. Cocaine Country Dancing
  5. Prayed For Rain
  6. Freak
  7. Give 'Em Peace
  8. Angel
  9. Holy Ghost Fire
  10. Can't Be Alone

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    New West / Lightning Rod / PIAS / Rough Trade

  • Spieldauer

    39:58

  • Erscheinungsdatum

    06.09.2019

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