Wenn's dem Esel zu bunt wird, geht er aufs Eis? In Phil Collins' Situation, während sich die 1990er ihrem Ende zuneigten, traf dieses Sprichwort nur bedingt zu, denn auch wenn "A Hot Night In Paris" auf den ersten Blick den Verdacht weckte, hier ringe ein Künstler, der gerade eine kommerzielle Schlappe erlebte, krampfhaft um Aufmerksamkeit respektive neue Impulse, war ein Live-Ausflug alles andere als abwegig. Dass jedoch nur die Wenigsten Otto-Normal-Collins-Hörer die Jazz-Wurzeln des Popstars kannten, machte diesen Mitschnitt eher zu einer Randerscheinung innerhalb seiner Diskografie.
Dies schmälerte seine Güte jedoch nicht im Geringsten. "A Hot Night In Paris" ist zudem auch deshalb eine lobens- wie lobenswerte Veröffentlichung (gewesen), weil Collins damit keine schnöde Best-Of vorlegte, sondern sich etwas relativ Besonderes einfallen ließ, um Teile seines Repertoires zweitzuverwerten: Er stellte eine traditionelle Bigband zusammen, um seinen Vorbildern als Schlagzeuger Tribut zu zollen, allen voran Buddy Rich und Elvin Jones. Der Clou dieses Projekts bestand darin, dass er vorwiegend Stücke aus seinem eigenen Repertoire zur Interpretation mit der größeren Besetzung auswählte.
1996 tourte er unter Dirigent Quincy Jones mit der Combo und Tony Bennett als Sänger durch mehrere Länder. Das Line-up veränderte sich, wobei Collins neben Größen wie Pianist George Duke u.a. den Saxofonisten Gerald Albright und Genesis-Intimus Daryl Stuermer (Gitarre) hinzuzog. Diese waren auch an den vorliegenden Aufnahmen beteiligt, die 1998 auf Europareise in der französischen Hauptstadt gemacht wurden. "A Hot Night In Paris" beeindruckt auch heute noch mit opulent in Szene gesetzten, "angejazzten" Versionen von Collins-Standards wie 'That's All' und lässt auch das Genesis-Monstrum 'Los Endos' in einem völlig neuen, unbedingt erlebenswerten Licht erstrahlen.
Hinzu kommen Würdigungen von Miles Davis ('Milestones') oder der Average White Band ('Pick up the Pieces'). Die Jazz-Polizei lief bei der ersten Veröffentlichung der Scheibe wahrscheinlich sturm, doch objektiv betrachtet ist sie beileibe kein Sakrileg, sondern ein weiterer Beleg dafür, dass alles Hand und Fuß hat, was das musikalische Chamäleon Phil Collins in Angriff nimmt.
FAZIT:Welthits im Jazzgewand abseits jeglicher Fahrstuhlmusik. Swing when you're winning … <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/1a7c02e5ee124eb99d5b438ce91bda18" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.01.2019
Warner
70:34
01.02.2019