Ei, was haben wir denn hier? Phil Vincent will es wieder einmal wissen. Im Player dreht sich Solo-Album Nr. 21(!) und allein diese Zahl macht sprach- aber auch ein Stück weit ratlos, denn entweder haben wir es hier mit einem absoluten Genie zu tun, das stetig genialen Output in bestechender Qualität produziert, oder aber, wie schon des Öfteren erlebt, sind die in ultra-kurzen Abständen auf den Markt geworfenen Longplayer nichts weiter als das permanent-penetrante Buhlen um Aufmerksamkeit, geboren aus fehlgeleitetem Sendungsbewusstsein, zumal neben den Soloscheiben noch Alben mit CRANSTON, TRAGIK, CIRCULAR LOGIC, LEGION und D´ERCOLE zu Buche stehen.
Die Tendenz geht deutlich Richtung Option zwei, denn das vorliegende Werk „Hypocrite“ ist eindeutig weder Geniestreich noch Geistesblitz, eher platt scheinheilig, wie schon der Name impliziert. Multi-Intrumentalist Phil Vincent spielte mit Ausnahme der Drums und diverser Gitarrenparts alle Instrumente selbst ein und - als sei dies nicht schon genug – produzierte er das Ganze auch noch. Das Ergebnis klingt nach: am falschen Ende gespart, fade und blutleer. Der Gesang ist hierbei einer der größten Knackpunkte, denn selbst mit zwei oder mehr Layern klingt Vincent weder druckvoll noch rockig, eher schon wie ein biederer Feierabend-Musiker, der am Lagerfeuer zur Klampfe trällert, wobei ich hier ambitionierten Pfadfindern eventuell Unrecht tue.
Die Kompositionen erinnern an erste Versuche einer Schülerband, die es ihren Idolen gleichtun will, ohne auch nur ansatzweise über den nötigen Esprit zu verfügen. Es gibt haufenweise staubig-antiquierte Gitarrenriffs, die schon Anfang der 80er abgenutzt waren, dazu Arpeggios, die klebrig aus den Boxen triefen, zu allem Übel auch noch maschinell generiert sind, denn hier bricht man den Akkord nicht selbst, sondern lässt den Job durch den Computer machen: Tiefpunkt: „Long Way Down“.
„Untitled“ stellt den unrühmlichen Versuch dar, unter Zuhilfenahme bewährter BEATLES-Harmonien auf einen Zug aufzuspringen, der unter Volldampf auf einem toten Gleis unterwegs ist. „Prima Donna“ rockt schon etwas gefälliger, selbst wenn hier der unzureichende Gesang des traurigen Barden wiederum jegliche positiven Ansätze im Keim erstickt. Aber es kommt noch krasser: „Never Enough“ startet mit synthetischem Schlagzeug, streut ein paar unmotivierte Keyboard-Klangkaskaden ein, geht über in hoppelnde Achtel der Stromgitarren, um dann in eine poppig anmutende Bridge überzuleiten, die einfach nur peinlich ist, was Vincent wohl selbst schon schwante, denn die Textzeile: „I should have know better“ taugt wenigstens in prophetischer Hinsicht.
Aber wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, setzt Vincent mit dem Titel-Track „Hypocrite“ noch eins drauf. Schabbelige Gitarrenriffs zu kläglichen Metalcore-Versuchen im Chorus (?) liefern ungewollt komödiantische Ansätze, die, unvorbereitet genossen, zu Lachanfällen führen können.
FAZIT: Phil Vincent liefert mit seinem neuesten Machwerk „Hypocrite“ Stoff für die Resterampe erfolgloser Fließbandproduzenten. Eine peinliche Werkschau, die mit kläglichem Songwriting, teilweise unterirdischem Geträller und einfallslos - weil lieblos - zusammengekleisterten Versatzstücken heillos antiquierter Klangwelten nur in negativer Hinsicht Punkten kann. Ein Beispiel dafür, wie Rock im Jahr 2019 nicht klingen sollte.
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.07.2019
Phil Vincent
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Phil Vincent, Peter Cox, Vince O’Regan
Phil Vincent
Rock Company
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22.02.2019