Die Geschichte von Radical Face und Electric President sind wechselhaft wie eng miteinander verbunden, wobei Gitarrist und Sänger Ben Cooper als Hauptstrippenzieher fungiert. 2006 spielte er ein Soloalbum ein, das er dann doch nicht veröffentlichte und später aus Verlegenheit als "Random Junk" anbot, im folgenden Jahr erschien der offizielle Einstand des Künstlers beim Label Morr Music, nun liegt es in einer von Cooper selbst in die Wege geleiteten limitierten Neuauflage vor, die nur digital und auf Vinyl herauskommt.
Mit seinem Alter Ego Radical Face schuf Ben ein facettenreiches Soloprojekt zwischen Indie Pop und Folk, bei dem er sich sowohl auf minimalistische Alleingänge (einsamer Mann lamentiert zu gezupften Saiten) und dank Looping-Equipment bzw. Studio-Kniffen opulent arrangierten Mini-Epen versteht. Der Charme beider Extreme besteht wiederum in seinen beschränkten Kapazitäten als Sänger, wobei die naiv näselnde Stimme für Unbedarfte bei der Frage, ob diese Geschichte etwas für sie sei oder nicht, zu einem Knackpunkt werden kann.
Kurzum, sie ist Geschmackssache, die Musik als solche jedoch über die meisten Zweifel erhaben. Der Bart- und Mützenträger aus Florida hebt sich mit seiner liebevoll in Szene gesetzten Konzeptstory wohltuend von der Vielzahl von Laptop-Folk-Dilettanten ab, die sich im zeitgenössischen Musikbetrieb tummeln, indem er lyrischen Tiefsinn mit fantasievollem Songwriting auf der Grundlage der großen Menschheitsthemen kombiniert. Das weckt nicht umsonst erinnerungen an die Hochphase der Szene in Omaha (Conor Oberst) und steht zugleich in der Tradition der stilprägenden US-Liedermacher der 1960er und 70er.
Ein Track wie 'The Strangest Things' mit seinen elektronischen Zusätzen und pfiffig eingebundenen Umweltgeräuschen markiert in diesem Zusammenhang die denkbar ideale Verschmelzung klassischer Tugenden und Moderne … mit zeitlosem Anspruch.
Die neue Spezialauflage ergänzt das Hauptalbum um mitunter sehr spannend im Vergleich zu hörende alternative Fassungen der Tracks, Demos und teil-orchestral interpretierte Versionen. Dass Cooper das Ganze in eigener Regie gestemmt hat, sieht man dem fertigen Produkt an.
FAZIT: "Ghost" ist in wiederveröffentlichter Form ein wunderschönes Liebhaberstück mit umfangreichem Bonusmaterial geworden, die Originalvariante bleibt ein übersehener Klassiker in Sachen Liedermachertum jüngerer Zeit. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/61013e853d8a49adb08292175f4dd062" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.10.2019
Bear Machine
89:14
18.10.2019