Nachdem zwischen dem SCARABEUSDREAM-Debüt "Sample Your Heartbeat To Stay Alive" (2007) und seinem Nachfolger "tacet tacet tacet" (2016) fast zehn Jahre vergehen mussten, kommt das verantwortliche Duo nun erheblich schneller mit seinem dritten Langspieler zu Potte, ohne dass die Qualität des Gebotenen darunter gelitten hätte, im Gegenteil …
Bernd Supper und Hannes Moser wirken auf "Crescendo" noch dringlicher, als man sie sowieso bisher kannte. Die Österreicher verfeinern ihren Brutalo-Psych-Sound weiter, werden aber trotz krasser Extreme zu keiner Zeit unhörbar, sondern dank vermehrter Melodien aus der Musikkultur des nahen Ostens sogar noch zudringlicher, obgleich ihre Musik natürlich Nischen-Stoff bleibt.
Beide Österreicher greifen abwechselnd zum Mikro und ziehen dann umso mehr Aufmerksamkeit auf sich. Ihre Musik ist generell repetitiv und darum hypnotisierend angelegt, aber keineswegs unflexibel, auch und gerade in Bezug auf die vielen stlistischen Schlenker, die im Zuge des zugrunde liegenden Minimalismus gemacht werden. "Crescendo" wirkt ferner umsichtiger strukturiert als sein Vorgänger, aber ungebrochen widerborstig und unberechenbar wie ein Potpourri an Eindrücken.
Das Projekt bzw. sein Label spricht von Post-Hardcore, doch das Ganze so zu nennen wäre angesichts der weitgehend fantasielosen, stagnierenden Vertreter jener Szene viel zu kurz gegriffen. Das hämmernde 'Origin' und 'But Me', bei dem die beiden Macher gezielt mit Dissonanzen und Schönklang im Wechsel arbeiten, sind die besten Belege dafür, wie breit SCARABEUSDREAM aufgestellt sind. Die beiden ruhig brodelnden 'Euphoria'-Teile zeigen wiederum eine andere Seite, wobei man aber am deutlichsten erkennt, dass das E-Piano das vor allen anderen Klangerzeugern tragende Instrument ist.
Der androgyne Gesang, oft halbes Geschrei, stellt das zweite Hauptmerkmal des Zweiers dar. Sehr einfühlsame Momente wie 'Crashing Cars' und regelrecht Lärmiges mit erstaunlichem Pop-Appeal ('Geee!' und 'Valley') erinnern im Besonderen an die frühen Sachen der Keyboard-Exzentrikerin Kristeen Young, und wie sie hätten sicherlich auch SCARABEUSDREAM David Bowie für sich eingenommen, vor allem mit theatralischen Balladen wie 'Elvis', einer herrlichen Schlussnote dieses beispiellosen Albums.
"Crescendo" spannt eine gewaltige Klangkulisse auf wie eine mindestens vierköpfige Band; dabei sind hier nur halb so viele Musiker (die sich im Übrigen auch visuell opulent in Szene setzen, siehe Artwork und Videoclips) am Werk … mit null Wiener Schmäh, aber definitiv einem landestypischen Hang zu Avantgardistischem.
FAZIT: Electro, Noise und Liedermacherei der ganz anderen Sorte, Pathos und Stil-Eklektizismus der angenehmen Sorte - alles auf stimmige Art in wunderbar aufgehende Songs verpackt und von einer Herzlichkeit bestimmt, die sprachlos macht. "Anspruchsvolle Musik" ist ein abgedroschener Begriff, passt jedoch abseits aller Kategorien so gut zu SCARABEUSDREAM wie zu wenigen anderen zeitgenössischen Künstlern. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/2e942af4620942268305dee6332dd806" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.01.2019
Noise Appeal / Rough Trade
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18.01.2019