Die Veröffentlichung von „In The End“ bringt etwas Geheimnisvolles und ganz Besonderes mit sich. Denn einerseits war anzunehmen, dass man von der Band, deren charismatische Sängerin DOLORES O‘RIORDAN auf tragische Weise ums Leben kam, nichts mehr zu hören bekäme und andererseits erscheint „In The End“, das wohl endgültig letzte Album von THE CRANBERRIES, ein Jahr nachdem O‘Riordans Leben in einer Londoner Hotelbadewanne endete.
Vielleicht sollte man darum auch einmal O‘Riordans Mutter zu Wort kommen lassen, die zu dieser Veröffentlichung klarstellt: „Ich kann mir keine bessere Art vorstellen, Dolores‘ erstem Todestag zu gedenken und ihr Leben zu würdigen, als der Welt das allerletzte Album mit ihrer Band anzukündigen.“
Auch die Single-Auskopplung des Songs <a href="https://www.youtube.com/watch?v=h1lMxX8doSU" target="_blank" rel="nofollow">„All Over Now”</a>, der zugleich das Album eröffnet, klingt nunmehr sehr endgültig nach: „Das war‘s“.
Doch wenn man diese LP/CD hört, dann macht sich doch ein gehörige Traurigkeit breit, dass in Zeiten wie diesen solch eine eindringliche Stimme, aus musikalischer wie textlicher Sicht, für immer verstummt sein soll. Damit müssen wir nun leben, denn <a href="https://www.youtube.com/watch?v=6Ejga4kJUts" target="_blank" rel="nofollow">„Zombie(s)“</a> gibt‘s nun mal nur in der Musik und im Film, nicht aber im realen Leben.
Dabei begann alles mit „Zombie“ in den frühen 90ern und endete knapp 30 Jahre später in einer Londoner Badewanne. Dazwischen liegen über 40 Millionen verkaufte Alben mit einer Kombination aus Indie-Pop und Gitarren-Rock sowie unvergessliche Melodien und eine Stimme, die der „Melodie Maker“ als „die Stimme einer Heiligen, gefangen in einer Glasharfe“ beschrieb.
Nun also hören wir auf „In The End“ diese Stimme und Band das letzte Mal … und beides wird fehlen, denn auch dieses letzte Album bringt all die hochwertigen THE CRANBERRIES-Zutaten mit und spielt auf „Catch Me If You Can“ sogar mit orchestralem Bombast und gedoppelten Stimm-Samples. So gesehen singt also Dolores im Chor mit sich selbst. Eine ganz große Nummer!
Dass es zu „In The End“, diesem Post-Mortem-Album, überhaupt kam, verdanken wir einem Zufall, denn die Arbeit daran begann bereits 2017, während sich THE CRANBERRIES noch auf Konzert-Tour befanden. Im Winter des gleichen Jahres waren bereits alle Demos, die nun als ausgefeilte Songs auf dem Album zu hören sind, im Kasten.
Hierbei war eigentlich angedacht, kurz danach wieder auf Tour zu gehen und die Songs live zu präsentieren. Nur einen Monat später sah die Welt von THE CRANBERRIES völlig anders aus, lag in Trümmern und wurde zu Grabe getragen.
Nicht aber diese Aufnahmen. Um Dolores‘ Tod besser verarbeiten zu können, beschlossen die Musiker gemeinsam mit der Familie O‘Riordon das Album zu Ende zu bringen und der Titel „In The End“ war dabei schon als erstes wie in (Grab-)Stein gemeißelt.
Ein Album, das ein Denkmal setzen sollte – und nach den knapp 43 Minuten auch setzt!
Allerdings bestand im Vorfeld eine riesige Angst, wie Gitarrist NOEL HOGAN zugibt: „Wir waren uns darüber im Klaren, dass es eines der besten – wenn nicht sogar das beste – Cranberries-Album werden müsste, das in unseren Kräften stand. Wir hatten die Sorge, dass wir durch ein mittelmäßiges Album unser Vermächtnis beschädigen könnten. Doch als wir uns gemeinsam durch all die Demos hörten, die Dolores und ich aufgenommen hatten, erkannten wir, dass wir ein unglaublich starkes Album vor uns hatten. Die beste und einzig richtige Art, Dolores zu ehren.“
Auch bei der Produktion ließ man nichts anbrennen und übergab die Aufnahmen Stephen Street, der bereits die beiden THE CRANBERRIES-Album-Klassiker <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2018/The-Cranberries/Everybody-Else-Is-Doing-It-So-Why-Cant-We/" target="_blank" rel="nofollow">„Everybody Else Is Doing It, So Why Can`t We?“</a> (1993) und „No Need To Argue“ (1994) produziert hatte.
Dabei herausgekommen ist tatsächlich ein Album, das man ohne Bedenken auf eine Stufe mit den beiden Klassikern stellen kann. Ein weiterer Klassiker also, der zugleich das schwerste Album, welches THE CRANBERRIES je aufgenommen haben, geworden ist.
„Es war eine irgendwie bittersüße Zeit“, erinnert sich Noel noch einmal, „Neue Tracks aufzunehmen, ist immer eine aufregende, großartige Sache und einer der besten Aspekte, in einer Band zu sein. Als wir dann abends unsere verschiedenen Instrumente einspielten, wurde uns jedesmal schmerzlich bewusst, dass Dolores ja nicht mehr da ist, um mit uns gemeinsam an den Songs zu arbeiten.“
Nach der Fertigstellung des Albums gab NOEL HOGAN bekannt, dass sich THE CRANBERRIES auflösen: „THE CRANBERRIES waren immer zu viert. Ohne Dolores ist das nicht mehr möglich. Also war‘s das für uns.“
FAZIT: Es ist ein Gedenk-Album für und zugleich mit DOLORES O‘RIORDAN geworden, deren unvergleichliche Stimme vor einem Jahr für immer verklungen, aber auf diesem Album noch einmal zu hören ist – und dabei noch dazu so unglaublich, fast erschreckend lebendig klingt. THE CRANBERRIES haben ihr mit „In The End“ ein würdiges Denkmal gesetzt.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.04.2019
Mike Hogan
Dolores O'Riordan
Noel Hogan, Dan Brodbeck
Stephen Street, Dan Brodbeck
Fergal Lawler
Stefan Baumann (Bassklarinette), Oleg Koretsky (Synths), John Metcalfe, Louise Fuller, Ian Belton, Sophie Harris (Streicher), Johanna Cranitch (Backing Vocals)
BMG Rights Management
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26.04.2019